Das Lächeln der toten Augen
Fußgängerzone. Ein Blick auf die kleine Uhr im Armaturenbrett zeigte ihr, dass es kurz vor drei war. Bald wurde der Berufsverkehr einsetzten. Sie beschloss, den Wagen stehen zu lassen und sich zu Fuß auf den Weg zu machen.
Eine massive Glasfassade erwartete sie, als sie in die Marktstraße einbog. Wilhelmshavener Bank stand in großen blauen Lettern über der Drehtür. Buchstaben, die auch in der Nacht unmissverständlich verkündeten, welche Institution hinter dieser Konstruktion aus Glas, Stahl und Beton zu finden war, aber jetzt spiegelte sich das Licht der Sommersonne im hellen Blau. Monika Sanders sah nur wenige Menschen in der großen Halle und ging an den Schalter, der dem Eingangsportal am nächsten war. Eine Frau mit langen blonden Haaren lächelte ihr freundlich zu.
»Einen wunderschönen guten Tag«, säuselte die junge Frau. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
Monika lächelte freundlich. Sie beneidete die Jüngere wegen ihrer Haare. Sie fielen fast bis zum Po hinab.
»Guten Tag.« Monika holte den kleinen Schlüssel aus ihrer Handtasche. »Passt dieser Schlüssel zu den Schließfächern hier?« Sie legte ihn auf den Tresen.
Zögernd griff die Bankangestellte danach und warf einen langen und abschätzenden Blick darauf. »Also ja, solche Schlüssel passen schon zu uns. Gehört er Ihnen?« Die junge Frau wirkte verunsichert.
Monika Sander schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wirklich.«
»Ach, Sie haben ihn gefunden!« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
»Gefunden ist auch fast richtig«, bestätigte Monika.
Erleichtert legte die Angestellte den Schlüssel zur Seite und widmete sich dem Computer. Einen Moment später blickte die Frau mit breitem Lächeln auf. »Er gehört tatsächlich zu unserem Bankhaus. Wir werden dafür sorgen, dass der Besitzer des Schließfaches den Schlüssel wieder zurückerhält. Einstweilig notiere ich mir Ihren Namen. Wegen eines etwaigen Finderlohns, Sie verstehen?«
»Der Besitzer wird ihn nicht mehr abholen können.«
Das Lächeln erfror. »Wie … was … wie meinen Sie …?«
»Er gehört doch Mike Landers, richtig?«
Die junge Frau nickte.
»Mike Landers ist tot«, sagte Monika und zeigte ihren Dienstausweis vor.
Jetzt war die Unsicherheit blankem Entsetzen gewichen.
»Moment, ich hole den Abteilungsleiter.« Die Blonde eilte davon. Monika schüttelte den Kopf. Schade, dass ihr Beruf es mit sich brachte, dass sie ihre Haare lediglich bis zu den Schultern wachsen lassen konnte.
Wenig später kehrte die junge Frau mit einem älteren, dicklichen Herrn in grauem Anzug und Stirnglatze zurück. Schweiß glitzerte auf seiner breiten Stirn.
»Sie sind von der Polizei?«, fragte er.
Monika zeigte erneut ihren Ausweis vor. »Mike Landers war hier Kunde und unterhielt ein Bankschließfach. Da wir in diesem Todesfall ermitteln, hätte ich gerne einen Blick in das Schließfach geworfen.«
»Tot? Davon wissen wir nichts«, stammelte der Mann.
»Er fiel möglicherweise einem Kapitalverbrechen zum Opfer«, erklärte Monika.
Die Augen der blonden Frau wirkten wie zwei riesige Kraterseen. Ihr Mund stand offen.
Der Bankangestellte überlegte. »Brauchen Sie da nicht einen Durchsuchungsbeschluss?«
Monika Sander hatte diese Antwort befürchtet. Unnütze Formalien, die nur die Sache verkomplizierten. »Aber ich hatte doch den Schlüssel«, konterte sie selbstsicher.
»Ach so, ja. Aber ändert das etwas? Brauchen Sie dann keinen?«, fragte der untersetzte Mann. Er warf seiner Kollegin einen unsicheren Blick zu. Die junge Frau zuckte fast unmerklich die Schulter.
»Es geht um eine dringende Ermittlungssache. Weitere Menschenleben sind in Gefahr. Ich weiß, dass Mike Landers hier ein Schließfach hat, ich habe den Schlüssel und außerdem habe ich mich als Polizeibeamtin legitimiert. Also, wo ist Ihr Problem?«
Die Schweißperlen auf der breiten Stirn des Mannes rannen über seine Schläfe. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. »Entschuldigen Sie, da muss ich erst einmal telefonieren.«
»Tun Sie das, aber wenn es geht, schnell.«
Der Bankangestellte wählte mit zittrigen Fingern eine dreistellige Nummer. Nervös trommelte er mit den Fingern auf den Hörer. Niemand meldete sich.
»Haben Sie schon etwas von Gefahr in Verzug gehört?«, fragte Monika nach einer Weile.
Noch immer blieb das Telefon stumm. Entnervt legte der Mann den Hörer zurück auf die Gabel. »Wenn man die mal braucht …«, grummelte er leise.
»Gibt es hier einen Direktor?«
»Sie sind
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