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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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fangen. »Wir haben Ihnen vertraut …«, sagte er mit leiser, gefährlich klingender Stimme.
    »Ich glaube nicht, dass ich dieses Vertrauen je missbraucht habe, Mr Laudate«, sagte der Direktor mit aufreizender Gelassenheit. »Sie baten mich, Sie nach Naru zu führen, um Miss Lily zu finden. Dieses Ziel haben Sie mit einem Minimum an Aufwand erreicht.«
    »Kommen Sie mir nicht so!«, schrie Laud. Seine Stimme hallte in der Höhle wider, und Lily vernahm erneut einen Wirbel an Geflüster, flatternd wie aufgeschreckte Fledermäuse. »Erwarten Sie von uns, dass wir auch nur eine Sekunde glauben, Sie hätten uns ganz uneigennützig hier nach unten geführt?«
    Der Direktor schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Aus diesem Grund habe ich auch meine Identität nicht preisgegeben. Andernfalls wäre vermutlich keiner von Ihnen geneigt gewesen, meine Hilfe anzunehmen. Und allein wollte ich diese Reise nicht unternehmen.« Gedankenverloren rieb er sich die Handgelenke. »Es ist womöglich eine Reise, mit der ich schon zu lange gewartet habe.«
    Lily legte Laud eine Hand auf die Schulter, um der bissigen Bemerkung, die dieser gerade machen wollte, zuvorzukommen. »Er hat uns wieder zusammengebracht, Laud«, sagte sie leise. Zu ihrer Überraschung lenkte Laud ein und entspannte sich ein wenig. Allerdings bedachte er den Direktor nach wie vor mit einem finsteren Blick.
    »Aber …«, stotterte Mark, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. »Cherubina hat gesagt, Sie wären tot! Und was ist mit der Buchseite, die Verity aus dem Direktorium entwendet hat? Diese Seite, die uns zu den Sozinhos geführt hat? Haben die beiden das hier auch alles gewusst? Was … was …?«
    »Welch Zungenfertigkeit«, sagte der Direktor mit dünnem Lächeln. »Ich bin enttäuscht, Mr Mark, vor allem, da Sie der Wahrheit heute auf unserer Reise so nahe kamen. Sie haben zweifellos erkannt, dass ich kein alter Diener bin, aber es mangelte Ihnen an Vorstellungsvermögen, sich zu fragen, wer sonst derartige Geheimnisse kennen könnte.«
    Mark zog ein finsteres Gesicht. »Ich glaube, ich habe mir den Direktor ein wenig eindrucksvoller vorgestellt«, entgegnete er säuerlich.
    Die Bemerkung schien den alten Mann zu kränken. »Vielleicht haben Sie recht, Junge.« Er ging hinüber zu dem Messingschild in der Nähe des Eingangs, dem einzigen, auf dem kein Name eingraviert worden war. »Andererseits habe ich diese Position zwanzig Jahre lang innegehabt, und trotz gegenteilig verlautender Legenden bin ich ganz und gar menschlich. Jede Größe muss einmal enden. Und wo wäre ein geeigneterer Ort dafür als hier, im Mausoleum?«
    Lily starrte ihn an. Seine Energie schien nach und nach aus ihm zu schwinden. Unwillkürlich erinnerte sie sich an die Tafel, die neben der leeren hing. Auf dieser standen ein einzelner Name und Daten. Procuria, AJ 56-124 . Es war die zweite Angabe, die sich ihr eingeprägt hatte – Agoranisches Jahr 124. Vor zwanzig Jahren.
    »Wer war Procuria, Direktor?«
    Der Direktor lächelte traurig. »Meine Vorgängerin. Die Direktorin vor mir, zudem auch eine Musikerin. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie gerade an ihrer Harmonika sitzen. Es muss große Mühe gekostet haben, so ein Instrument hier herunterzutransportieren, aber sie war immer sehr dickköpfig. Ich glaube, sie wollte das Instrument stets bei sich haben.«
    Lily verstand. Doch Mark war immer noch wütend.
    »Was hatte es denn jetzt wirklich mit dieser Reise auf sich?«, brummte er. »Warum brauchten Sie uns, um nach hier unten zu kommen?«
    »Mark«, flüsterte Lily leise. »Ich glaube, dies ist der Ort, an dem alle ehemaligen Direktoren begraben werden.«
    Der Direktor nickte. »Ganz recht, Miss Lilith. Diese Reise, Mr Mark, war meine allerletzte.«
    Die Worte des Direktors stimmten Mark nachdenklich, doch er blickte ihn immer noch misstrauisch an.
    Erst jetzt, in der Stille, dachte Lily an etwas, was der Direktor gesagt hatte. »Snutworth ist mittlerweile Direktor?«, fragte sie überrascht. »Dein ehemaliger Diener, Mark?«
    Mark nickte. »Das ist eine lange Geschichte, und wie es aussieht, kennen wir nicht einmal die Hälfte davon.« Er warf dem ehemaligen Direktor einen bedeutungsvollen Blick zu.
    Der alte Mann lächelte matt. »Ja, in der Tat, ich hätte eigentlich schon vor Monaten hier beigesetzt werden sollen«, sagte er, während er sanft über die Messingtafel strich. »Snutworths Plan war nicht nur gerissen, sondern auch fast erfolgreich. Er hat mich in einem

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