Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
Typ. Benutzte Servietten, nahm die Metro, statt zu Fuß zu gehen, kannte Hunde nur aus Handtaschen und so weiter.«
»Ihr müsst die junge Dame entschuldigen. Hier auf dem Land lernt man Manieren erst kurz vor der Hochzeit«, spottete Max freundlich.
»Wie man weiß, das wichtigste Ereignis im Leben einer Pariserin«, konterte sie.
»Und gern auch öfter als einmal.« Max grinste.
Vic lächelte zurück, ein Komplizinnenlächeln.
Jede Reise endet, wenn du beginnst zu lieben, dachte Jean, während er die jungen Menschen beobachtete, die sich ihrer Konzentration aufeinander lustvoll hingaben.
»Wollt ihr zu Papa?«, unterbrach Vic den Zauber dann ruckartig.
Max nickte mit glasigem Blick, Jean nickte beklommen, aber es war Catherine, die lächelnd sagte: »Ja, teilweise.«
»Ich begleite euch zum Haupthaus.«
Sie ging auch nicht wie Manon, fiel Perdu auf, als sie ihr folgten, unter hohen, kräftigen Platanen her, in denen Heupferdchen sangen.
Die junge Frau drehte sich noch mal zu ihm um.
»Ich bin übrigens der Rotwein. Victoria. Der Weiße ist meine Mutter, Manon. Ihr hat mal der Weinberg gehört.«
Jean suchte Catherines Hand. Sie drückte sie kurz.
Max’ Blick klebte an Victoria, die nun vor ihnen die Treppe emporsprang, je zwei Stufen auf einmal nehmend. Er blieb dennoch abrupt stehen und hielt Jean am Arm zurück.
»Was ich letzte Nacht nicht erwähnt habe, ist: Das ist die Frau, die ich heiraten werde«, sagte Max ernsthaft und ruhig. »Auch dann, wenn es deine Tochter sein sollte.«
O Gott. Meine?
Victoria winkte sie herein und deutete auf das Weinprobenzimmer. Ob sie Max’ Worte gehört hatte? In ihrem Lächeln blitzte so etwas auf wie: Mich heiraten? Du Serviettenbenutzer? Da musst du aber noch ein paar Briketts drauflegen.
Laut sagte sie: »Links geht es zu den alten Kellern, da reifen wir den Victoria. Der Manon wird in den Gewölben unter dem Aprikosengarten ausgebaut. Ich hole meinen Vater, er wird euch die Domaine gern zeigen. Wartet hier im Probenzimmer. Wen darf ich … melden?«, fragte Vic zum Schluss fröhlich und theatralisch.
Sie schickte ein glühendes Lächeln zu Max, ein Lächeln, das aus ihrem gesamten Körper zu kommen schien.
»Jean Perdu. Aus Paris. Der Buchhändler«, sagte Jean Perdu.
»Jean Perdu, der Buchhändler aus Paris«, wiederholte Victoria vergnügt. Dann verschwand sie.
Catherine, Jean und Max hörten, wie sie auf knarrenden Stufen nach oben federte, einen Flur entlangging, mit jemandem redete. Länger redete, Frage, Antwort, Frage, Antwort.
Ihre Schritte, abwärts, genauso athletisch, unbeschwert.
»Er kommt sofort.« Victoria streckte den Kopf herein, lächelte, wurde zu Manon und verschwand wieder.
Jean hörte, wie Luc oben hin und her ging. Einen Schrank öffnete oder eine Schublade.
Jean stand da, während der Mistral an Geschwindigkeit zulegte, an den hohen Läden des Gutes riss, durch die Blätter der hohen Kastanien fuhr und trockene Erde zwischen den Reben entlangschob.
Er stand da, bis sich Max erfolgreich unsichtbar gemacht hatte, in dem er das Probenzimmer und das Haus verließ und Victoria nachging.
Bis Catherine ihm die Schulter streichelte, flüsterte: »Ich warte im Bistro, und ich liebe dich, egal, was dabei herauskommt«, und sich aufmachte, um Milas Reich zu besuchen.
Jean wartete, bis er Lucs Schritte über die knarrenden Dielen und knirschenden Treppenstufen und den gekachelten Gutshausboden näher kommen hörte.
Dann erst drehte sich Perdu um und zur Tür.
Gleich würde er vor Manons Ehemann stehen.
Dem Mann, dessen Frau er geliebt hatte.
Jean hatte sich nicht eine Sekunde überlegt, was er Luc sagen wollte.
43
L uc war so groß wie er. Mandelfarbenes, sonnengealtertes Haar, der Kurzhaarschnitt rausgewachsen. Hellbraune, intelligente Augen, umrahmt von vielen Fältchen. Ein großer, schlanker Baum in Jeans und blauem, ausgewaschenem Hemd, sein Körper geprägt vom Umgang mit Erde, Frucht und Stein.
Perdu sah sofort, was Manon an ihm gemocht hatte.
Luc Basset besaß eine von außen sichtbare Verlässlichkeit, gepaart mit Gefühl und Männlichkeit. Eine Männlichkeit, die sich nicht an Geld, Erfolg oder schnellen Sprüchen messen ließ, sondern an Kraft, Durchhaltevermögen und der Fähigkeit, für eine Familie, ein Haus, ein Stück Land zu sorgen. Solche Männer waren an das Land ihrer Vorfahren gebunden; ein Stück davon zu verkaufen, zu verpachten oder auch nur an den neuen Schwiegersohn zu geben, war wie eine
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