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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Titel: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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Schweizer nicht zur Olympiade durften. Sie ist überzeugt, ihr Bruder hätte mit seiner Wasserballmannschaft eine Medaille aus Melbourne heimgebracht. Papa findet, sie habe kein politisches Gespür.
    »Die Athleten haben doch nichts mit der Weltpolitik zu tun«, sagt Irmgard. »Hier geht es um Sport und nicht um den Einmarsch der Russen!«
    Während sie nun über Ungarn diskutieren, beobachte ich Papa. Ich glaube, Irmgards Sankt Galler Dialekt regt ihn mehr auf als das, was sie sagt.
    »He, he«, mahnt Onkel Heinrich seine Frau, »jetzt lass andere Meinungen doch auch mal gelten!«
    Empört blickt sie ihren Mann an. »Unterstützt du etwa plötzlich den Boykott? Du bist ja so was von …«
    »Wir haben alle zu viel getrunken, beruhigt euch.«
    Aber Tanta Irmgard hört nicht auf Mama.
    »So was von …« Sie steht auf, nimmt Heinchen von Onkel Heinrichs Schoß, blickt im Weggehen schnippisch zurück, ruft »Ignorant« und verlässt das Esszimmer. Mama geht ihnen nach. Die Brüder toasten sich zu: »Auf unsere besseren Hälften!« Sie schlagen die Gläser so temperamentvoll zusammen, dass sie vor dem Trinken einen Augenblick verdutzt verharren, als wollten sie kontrollieren, ob das Kristall noch unversehrt ist.
    Mama kommt zurück. »Halb so schlimm«, sagt sie, »Irmgard kennt euch ja.«
    Onkel Heinrich hat sein Weinglas schon wieder leer und hält es lachend Papa hin. »Schenk nach, d Regierig isch wäg! Wenn ich raufgehe, bevor sie schläft, de güetnacht!«
    Die Stimmung bleibt nicht lange lustig. Kaum hat Mariella das Dessert gebracht, fängt Papa wieder mit der Politik an.
    »Vertrauen wir Eisenhower«, sagt Onkel Heinrich, »die Amerikaner sind stark genug, bei einem sowjetischen Angriff zurückzuschlagen.«
    Vor dem Nachtgebet habe ich einen tollen Plan ausgeheckt. So dass ich in der Schulpause Margrit etwas zur Seite ziehe. »Hör mal, wegen diesen Schlittschuhen, was meinst du zu meinem Vorschlag: Würdest du sie gegen meine Iseli tauschen, und dafür gäbe ich dir noch bis nächsten Frühling mein Sackgeld …«
    »Du hast Sackgeld?«
    »Ich erhalte einfach etwas, wenn ich helfe, oder sonst mal zwischendurch. Im Moment könnte ich dir über einen Franken geben!«
    »Ich weiß nicht, ob meine Eltern mit so etwas einverstanden sind.«
    »Spinnst du! Das wäre natürlich unser Geheimnis!«
    »Und wenn sie es merken?«
    »Dann kann ich die Schlittschuhe ja immer noch zurückgeben.«
Mariella will nicht Skifahren
    Unser Dienstmädchen kommt diesen Winter ebenfalls mit auf den Sörenberg. So ist im Hotel für die Brückners auf unserer Etage kein Zimmer mehr übrig. Mariella und ich, die wir uns das schöne Eckzimmer teilen, lachen uns ins Fäustchen.
    Da Anton schon ziemlich gut Ski fährt, darf er statt in die Skischule mit den Eltern auf die große Piste. Brückners passt das nicht. Schon zweimal haben sie bemerkt, dass Anton noch ein bisschen Unterricht gut tun würde.
    »Kinderlose Ehepaare sind halt egoistisch«, erklärt mir Mama auf dem Weg zur Talstation. »Aber schließlich ist die Skischule ja nicht gratis, wir finden das Geld auch nicht auf der Straße.«
    »Und weshalb gehen wir dann nicht mit einer Familie in die Ferien, die Kinder hat?«
    »Weil dich das nichts angeht!«
    Während Koni zunächst den Stemmbogen übt, versuche ich an einem steileren Stück bereits, das obere Bein sofort nach der Kurve parallel zum Talski zu halten. Dazu braucht es etwas Schwung. Zwar gelingt mir der Stemmbogen noch nicht immer, aber verglichen mit Mariella bin ich recht gut. Frau Schöpfer gibt sich mit ihr eine Herrgottsmühe. Trotzdem bleibt Mariella auf ihren Skiern steif wie ein Storch.
    »Los, fahren Sie herunter, geben Sie sich einen Ruck, bloß bis hierher zu mir, das sind ein paar Meter. Los!«
    »Dai Mariella, coraggio!«
    Frau Schöpfer schaut zu mir. Wir wissen beide, dass es nicht an der Sprache liegt, wenn Mariella tut, als verstünde sie nichts.
    Am Nachmittag schneit es, alle bleiben wir im Hotel. Die Großen jassen, Koni hat einen Spielkameraden gefunden, Mariella schreibt im Zimmer Briefe, Anton und ich sitzen auf dem Sofa und lesen. Aber ich tue nur, als ob ich lesen würde. Mich interessiert das Gespräch der Erwachsenen mehr: Frau Brückner schwärmt wieder von ihren Künstlern.
    »Absolute Spinner«, sagt Papa, »vor allem dieser Picasso!«
    Für ein Mal sind sich Herr und Frau Brückner einig. Sie wiederholen sich sogar: »Ich habe nichts gegen eure goldgerahmten Helgen, aber ein bisschen offen

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