Das Leben ist ein Baumarkt
sollte.«
»Apropos Kunde«, wirft Karsten ein, »hoffentlich beschwert sich der mit den Funksteckdosen nicht über mich. Zu dem war ich schon mehr als nur unfreundlich.«
»Da mach dir mal keine Sorgen«, beruhige ich ihn. »Der war gerade hier und hat mir alles erzählt. Aber er hatte dann Verständnis dafür, dass du etwas gereizt bist, bei den familiären Problemen, die du hast.«
»Was für familiäre Probleme?«, fragt Karsten überrascht nach.
»Na die, von denen ich ihm erzählt habe. Keine Angst, ich hab nichts Genaueres gesagt. Aber er war danach wieder ziemlich entspannt.«
»Mann«, sagt Karsten, »du bist doch ein Idiot«, und grinst dabei über beide Backen.
»Kann schon sein«, gebe ich zu.
Musik aus dem Baumarkt
Seit ein paar Minuten höre ich dauernd so ein klopfendes Geräusch. Da ich gerade keinen Kunden habe, beschließe ich, dem Ursprung der mysteriösen Klänge auf den Grund zu gehen. Dem Klopfen folgend biege ich in den Gang mit den Mörtelkübeln ein und plötzlich steht sie da. Nein, nicht meine Traumfrau, sondern die Verursacherin der Klopfgeräusche. Eine Frau Mitte 40, eingewickelt in ein Batiktuch. Um sich herum hat sie 20 bis 30 umgedrehte Mörtelkübel verteilt, auf die sie abwechselnd schlägt. Im ersten Moment denke ich: »Die hat ’nen Dachschaden.«
Die Möglichkeit, sie zu fragen, ob ich ihr helfen kann, schließe ich erst einmal aus. Denn diese Frage kann ich ganz locker mit Nein beantworten. Einfach weitermachen lassen scheidet aber auch aus, denn sonst denkt jeder, dass wir hier irgendwelche Therapien anbieten. Meine Unentschlossenheit über das weitere Vorgehen erledigt sich durch ihre Frage: »Haben Sie noch mehr davon?«
»Wieso? Reichen die nicht?«, frage ich und deute auf die am Boden verteilten Exemplare.
»Doch, schon. Ich brauche ja eigentlich nur zwei. Aber ich habe vor einem halben Jahr schon einmal welche gekauft, und die klingen ganz anders.«
»Also für mich ist Mörtelkübel Mörtelkübel. Und da interessiert es mich wirklich nicht, wie der klingt, sondern was da reinpasst«, antworte ich.
»Das verstehe ich«, sagt sie. »Da braucht man schon ein ganz spezielles Gehör, damit man den Unterschied erkennt.«
»Ja, oder einen ganz speziellen Vogel«, denke ich und forsche nach, warum denn der Klang so wichtig ist.
»Wir machen damit Musik«, erklärt sie.
Da ich manchmal das Problem habe, erst zu wissen, was ich denke, wenn ich gehört habe, was ich sage, schießt auch der folgende Satz zuerst über meine Lippen und dann durch meine Ohren ins Gehirn: »Und Sie tanzen dazu bestimmt Ihre Namen, oder?«
»Ja«, antwortet sie, »getanzt wird auch dazu. Aber dabei lässt man sich eher von dem Rhythmus tragen, als etwas Bestimmtes symbolisieren zu wollen.«
Das wird mir jetzt zu viel und ich überlege nur noch, wie ich am schnellsten aus dieser Nummer wieder herauskomme. Trotz der Trommelgeräusche und dem netten Vorschlag »Vielleicht wollen Sie ja auch mal mit uns zusammen Musik machen und tanzen« scheine ich schließlich die rettende Lösung gefunden zu haben: »Wenn man den Rand der Kübel jeweils um ein paar Zentimeter abschneidet, verändert sich auch der Klang.«
»Das wär ja supi«, sagt sie, und ich denke: »Jawoll! Das war’s! Die Tante bist du los.«
Doch stattdessen legt sie nach: »Ja, aber wenn das nicht so ist?«
»Doch, das ist so.«
»Dann schneiden Sie doch mal bei einem den Rand ab, damit ich das auch hören kann. Nicht dass ich jetzt die Kübel mitnehme und dann klingen nachher doch alle gleich.«
So langsam scheinen meine Nerven an ihre Belastungsgrenze zu kommen. »Ich kann mich doch jetzt nicht hier in den Gang setzen und anfangen, Mörtelkübel kaputt zu schneiden, nur damit Sie hören können, ob sich da der Klang verändert. Wo sind wir denn hier?«
»Na, im Baumarkt«, antwortet sie ganz trocken. »Und da wird einem immer geholfen. Also schneiden Sie mir doch bitteeee den Rand runter.«
Als ich mich kurz umschaue, sehe ich, dass sich inzwischen noch ein paar andere Kunden für das Spektakel interessieren und das Ganze offensichtlich sehr amüsant finden. »Wenn du der jetzt den Rand abschneidest«, denke ich, »dann ... ach was soll’s, ich mach’s einfach.«
Ich setze mich also auf den Boden und schneide mit einem Cuttermesser diesen blöden Rand von diesem dämlichen Kübel runter. Da taucht mein Kollege Meier auf und meint fröhlich: »Ach hier spielt die Musik.«
Innerlich habe ich gerade Silvester, aber
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