Das Leben ist ein Baumarkt
Erkan und Jupp zu gehen. Denn nachdem sie eine Weile mein Gespräch mit dem älteren Ehepaar verfolgt haben, packen mich die beiden links und rechts am Arm, ziehen mich zur Seite, und Erkan sagt zu dem Ehepaar: »Guckt ihr ma weiter. Der geht jetzt ma mit uns mit.«
Der Mann schaut zwar etwas verdutzt, meint dann aber: »Das ist schon okay. Wir brauchen eh noch ein bisschen.«
»Komm mit, wir ham da ein Problem«, sagt Erkan daraufhin zu mir. Kaum sind wir ein paar Meter gegangen, fügt er noch hinzu: »Brauchst dir nicht das Gelaber von den Alten anhören. Die labern dich sonst noch tot, Mann.«
»Na, was ist denn jetzt euer Problem?«, frage ich die beiden, und genau in dem Moment klingelt mein Telefon. Bevor ich drangehen kann, nimmt mir Erkan das Telefon aus der Hand. »Scheißendrecks Telefon«, meint er. »Die wollen alle nur labern den ganzen Tag.«
Noch bevor ich etwas entgegnen kann, hält er das Telefon meinem Kollegen hin, der gerade Ware verräumt, und sagt zu ihm: »Hier, geh ma ran. Is für dich. Und dahinten warten so Alte auf Fliesen. Musst dich aber beeilen, sonst sind die vielleicht schon tot.«
Mein Kollege nimmt stillschweigend das Telefon entgegen und ich sage zu Erkan: »Du könntest glatt hier anfangen. Aber was war jetzt mit deinem Problem? Weil meine hast du ja schon gelöst.«
»Weißt du noch, die Fliesen, die ich für’s Wohnzimmer gekauft hab?«
»Ja klar, das hellbeige Feinsteinzeug war das, oder? Was ist damit?«
»Nix is damit«, meint Erkan. »Gefallen mir nicht mehr. Sieht aus, als ob ein Hund Pipi drauf gemacht hat. Da brauch ma andere.«
»Okay. Und die Pipifliesen willst du jetzt umtauschen, oder?«, frage ich ihn.
»Nee, die Pipifliesen behalt ma. Kamma in Keller legen. Das is doch egal.«
»Wow«, denke ich, »Fliesen für knapp 35 Euro pro Quadratmeter einfach in den Keller werfen. Weil’s egal ist. Starke Nummer.«
Ich mache mich also mit den beiden im Schlepptau auf die Suche nach Fliesen, die nicht so aussehen, als ob ein Hund draufgepinkelt hätte, als mich plötzlich ein anderer Kunde anspricht: »Äh, Entschuldigung. Ich bräuchte dann auch mal jemand für die Fliesen.«
Sofort sagt Jupp zu ihm: »Siehst du nicht, dass der jetzt keine Zeit hat? Guck ma, dahinten is andere Kollege. Fragst du den.«
»Also von mir aus können die beiden den ganzen Tag hierbleiben«, denke ich und zeige Erkan ein weißes, hochglanzpoliertes Feinsteinzeug. Das scheint ihm zu gefallen, doch bevor er sich weiter dazu äußern kann, klingelt sein Handy. »Scheißendrecks Telefon«, schimpft er wieder und drückt das Gespräch einfach weg. Keine 20 Sekunden später klingelt es erneut. Jetzt hat er aber die Schnauze endgültig voll und schaltet das Handy aus. »So, jetzt hamma Ruhe. Telefon geht mir voll auf den Sack«, erklärt er und wendet sich wieder den Fliesen zu. Gerade als Erkan sagt: »Ja, die is gut. Die nehma«, ertönt wieder ein Handyklingeln. Diesmal ist es allerdings das Handy von Jupp. Und der geht ran. Nachdem er sich gemeldet hat, redet er kurz etwas auf Türkisch und gibt das Telefon dann an Erkan weiter. Der redet zwar auch türkisch und ich verstehe kein Wort, aber er hört sich verdammt kleinlaut an. Während Erkan telefoniert, wispert Jupp mir zu: »Is seine Mama. Muss ma rangehen, weißt du? Is besser.«
»Is schon klar«, sage ich. »Ich hol in der Zwischenzeit schon mal den Stapler. Dann können wir die Fliesen nachher rausfahren.«
Ein paar Minuten später bin ich mit dem Stapler wieder zurück und Erkan ist inzwischen mit seinem Telefonat fertig. »Jetzt brauch ma noch ’ne Wäschespinne. Weißt du, wo die ist?«, fragt er mich.
»Na klar, hinten, bei Haushaltswaren.«
»Na, dann kommst du mit. Die Fliesen mach ma später.«
Wir lassen also alles stehen und liegen und marschieren gemeinsam in Richtung Haushaltswarenabteilung. Dort angekommen, sagt Erkan: »Jetzt brauch ma aber eine ganz gute Wäschespinne. Weißt du, die ist nämlich für meine Mutter.«
Da ich jetzt nicht unbedingt der Wäschespinnenexperte bin, schaue ich mir die Dinger erst einmal etwas genauer an. Nach einem kurzen Vergleich überlege ich: »200 Euro für ’ne Wäschespinne ist echt okay. Soll ja was Gutes sein. Ist ja schließlich für die Mama.«
Also ziehe ich die Wäschespinne vorsichtig aus dem Regal und rufe: »Die hier ist super. Die wird deiner Mutter gefallen.«
Aber als ich mich umdrehe, steht da nicht Erkan. Auch nicht Jupp. Da steht nur ein circa 80 Jahre alter
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