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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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die eben wegen dieser Absonderlichkeiten bei ihm verkehrten.
    Um dieselbe Zeit stieg einmal bei uns ein hochnobles, ausländisch anmutendes Paar aus dem Auto und kam in den Laden. Die Frau war klein und auffallend stark geschnürt, ohne dabei füllig oder gar dick zu sein. Ihre mit einem reichen Spitzen-Jabot gezierte Brust und ihre Hüften traten selbst unter dem langen, taillierten, glockig fallenden Reisemantel stark hervor. Sie trug ungewöhnlich hohe Stöckelschuhe nach Pariser Art, und auf ihrem hochfrisierten, blondhaarigen Kopf saß, einem umfänglichen Storchennest gleich, ein riesiger Strohhut mit teurem Blumen-Arrangement. Er war umhüllt und niedergehalten von einem dünnen weißen Schleier, welcher das Gesicht verdeckte. Betont kapriziös waren ihre etwas herrschsüchtigen Bewegungen, und ihre Stimme klang metallisch scharf. Als sie den Schleier hochnahm, wurde ein kleines, ordinär puppenhaftes Gesicht mit seltsam großen, dunklen, fanggierigen Augen sichtbar, die kalt und taktlos nüchtern dreinblickten.
    Der Mann war mittelgroß, trug einen hellen Trenchcoat, karierten Anzug mit kurzer, pluderiger Sporthose und eine ebensolche Mütze. Er hatte sehr dünne Waden, und modisch große, hellgelbe, flache Halbschuhe vollendeten seinen Habitus. Er bewegte sich weltmännisch lässig und sprach langsam ein radebrechendes Deutsch. Sein leeres Gesicht wurde von einem braunen Schnurr- und Spitzbart geziert.
    Ziemlich unvermittelt erkundigten sich die beiden nach dem Gerhakerschen Restaurant, und das kam dem Maxl sehr gelegen. Er lud sie dienernd ein, in die nebenan liegende gute Stube zu kommen und trug Kognak und Gebäck auf. Der Fremde gab Maxl seine Visitenkarte. In verschnörkelten Buchstaben stand darauf: »Wolfgang Bock – Executive director of the Grand Hotel – Khartoum, Anglo-Egyptian Sudan«. Der Maxl schien davon derart beeindruckt, daß er einen linkischen Knicks machte und eine bedeutsame Miene aufzusetzen versuchte. Die Bocks hatten erfahren, daß Gerhaker zu verkaufen beabsichtige. Ihr Plan war, in Berg ein Gegenstück ihres ägyptischen Hotels aus dessen Restaurant zu machen. Im Sommer hier, im Winter in Ägypten, meinten sie. Der Maxl nickte in einem fort geradezu beflissen und tat sogar, als verstehe er die englischen Worte, die das Paar zuweilen miteinander wechselte. Er fühlte sich sichtlich geschmeichelt durch das Vertrauen, das ihm die Fremden entgegenbrachten.
    »Eine sehr gute Idee, Herr Direktor!« bekräftigte er immer, und fuhr fort: »Im Sommer kann sich bei uns keiner über schlechten Geschäftsgang beklagen. Wenn ein tüchtiger Fachmann wie Sie, Herr Direktor, das Restaurant übernimmt, da gewinnt das ganze Dorf. Eine sehr gute Idee! … Ich will tun, was ich kann.« Er hielt kurz inne und setzte das beste Gesicht auf. »Die Herrschaften können sich auf mich verlassen, aber ich rechne natürlich damit, daß Sie Brot und Kuchen von mir beziehen.« Plump kam es heraus, fast unterwürfig. Uns fiel nur der Ausdruck »von mir« auf. Sonst aber kannten wir den Maxl kaum mehr. Er war vor diesen Leuten alles andere als ein roher, herrschsüchtiger Soldat.
    »All right«, sagte Bock und erhob sich. Er schien recht zufrieden über Maxls Auskünfte.
    »Aber Uolff! Die Leute sind uonderfull! Gib Mister Graf eine gute Zigarre«, rief seine kapriziöse Frau. Bock folgte. Der Maxl dankte wieder so hölzern und musterte die dunkle Havanna mit der schmucken Bauchbinde.
    Sie seien den ganzen Monat im »Hotel Leinfelder« in München, meinten die Bocks, und sie hofften, daß ihnen der Maxl bald gute Nachrichten geben könne. Der Maxl komplimentierte sie hinaus. Als er in die Stube zurückkam, furchte er sofort seine eckige Stirn wieder.
    »Absolut solvente Leute«, sagte er und musterte wiederum die Visitenkarte, »die werden eine sehr gute Kundschaft von uns.« Er warf einen harten Blick auf unsere Mutter und knurrte ungut: »Na, das Haar hätt’st du dir auch zurückstreichen können und eine saubere Schürze anlegen!« Sie sah ihn betreten an und, in die Kuchl zurückgehend, murrte sie bitter in sich hinein: »Jetzt bin ich ihm schon nicht mehr schön genug auch!« Es hörte sich an, als käme sie sich vor wie eine mißachtete Magd.
    »Und vor jedem hergelaufenen Fremden kriecht er«, sagte die Theres.
    Ich mußte zum Gerhaker hinuntergehen und ihm Bescheid geben. Am Abend kam der dicke Mann und redete mit dem Maxl lange in unserer Stube. Wir in der Kuchl hörten nur ab und zu »absolut

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