Das Leben meiner Mutter (German Edition)
von der neuen Zeit! … Das weiß ich besser.«
Sie fuhr ins heiße Wasser und fing an, den Haufen Geschirr abzuspülen und wieder Ordnung zu machen …
Der Eugen kam einige Male auf Urlaub heim. Er und der Maxl redeten nur wenig miteinander. »Soso, ihr habt auch den 98er Karabiner?« oder ähnliche militärische Dinge sagte der Maxl. Doch wenn er sonntags ins Wirtshaus gegangen oder mit dem Radl fortgefahren war, gab es manche ruhige Stunde für unsere Mutter. Dann nämlich sammelten wir uns alle wie einst in der Kuchl, denn mit dem Eugen war gut reden. Das war wie Trost für die Mutter. Der Eugen sah zwar sehr schmuck in seiner Uniform aus, aber er war durchaus kein Soldat. Er ging ein auf unsere Klagen, er redete über die alltäglichen Dinge, die unsere Mutter vorbrachte, und die sagte dann: »Du hast einen Verstand, Eugen, mit dir läßt sich reden, aber mit dem? … Ich weiß nicht!«
Doch der Eugen hatte Pläne, die unsere Mutter traurig machten. Er nahm während seiner Freistunden in Augsburg einen sogenannten »Fernunterricht« in Englisch und bildete sich kaufmännisch noch mehr aus. Er las wenig, aber er verehrte ganz bestimmte geschichtliche und politische Gestalten wie Napoleon, Cecil Rhodes und den sehr zivilistischen König Eduard VII. von England. Er war friedlich, heiter und gesellig. Das tat besonders unserer Mutter wohl.
»Hm, ich bleib’ nicht in Deutschland … Da gilt nur der Soldat was. Weiter sehn die nicht! … Das gibt doch nochmal Krieg. Ich will meinen Kopf nur für mich selber riskieren«, deutete er einmal dunkel an. Er schwärmte für so etwas wie den großen, weltmännischen Geschäftsmann.
»Ich hab’ mir die sonderbare Buchhaltung vom Maxl angesehen«, erklärte er uns einmal, »wißt ihr denn, was der alles ein- und austrägt? … Ich krieg’ ja mein Geld, das mir zusteht … Mich geht ja das weiter nichts an. Ich hab’ andere Pläne, aber ihr … Resl, es wird gut sein, du schaust manchmal in die Bücher, die der Maxl führt.«
»Ja, und was ist’s dann? Der macht ja doch, was er will!« fiel unsere Mutter ein, »ich bin froh, wenn’s keinen Verdruß gibt.»
»Ich streit’ mich bestimmt nicht mit dem Maxl herum«, meinte der Eugen, und das war ihr vollauf recht.
»Jaja, Eugen, hast auch recht … Ich bin froh, wenn du da bist … Da ist eine Ruh«, sagte sie und schaute ihn an. Auch er schaute sie ruhig an. Dann meinte er: »Am besten wär’s, der Maxl tät’ heiraten und du, Mutter, tät’st mit der Resl und der Emma zusammenziehn. Mit dem Maxl ist kein Auskommen.«
»Ja, aber mein Gott, wo wollen wir denn hinziehn? Und das G’red’ von den Leuten dann!« seufzte die Mutter ausweglos.
»Ich will dem Maxl einmal einen Brief schreiben … Ich geh’ ja doch nach Amerika nach meiner Militärzeit«, kam der Eugen auf einmal mit seinem Plan heraus. Das machte unsere Mutter ganz hoffnungslos.
»Du? … Nach Amerika? … Wo es doch der Stasl schon nicht gut geht dort? … Nein, Eugen, tu mir doch das nicht an! … Bleib doch da! … Du bringst dich doch überall fort«, flehte unsere Mutter. Er bekam einen kurzen, barmherzigen Ausdruck im Gesicht und tröstete sie: »Vielleicht überleg’ ich mir’s noch, wenn ich hier was Gutes find’ …«
Wir wußten, daß der Eugen schon lange mit der Stasl Briefe wechselte. Kurz nachdem er fortgefahren war, bekam der Maxl wirklich einen langen Brief von ihm. Er ging etliche Tage mürrischer als sonst herum und schlug uns noch erbarmungsloser, wenn ihn etwas ärgerte.
»Der Eugen geht nach Amerika und will sein Geld haben«, warf er einmal beim Mittagessen hin und setzte, indem er Theres und Emma drohend anschaute, dazu: »Ihr könnt euer Geld alle haben, wenn ihr’s braucht.«
»Hoho, ist’s schon soweit! Die Mutter hat doch noch gar nicht übergeben!« hielt ihm die Theres scharf entgegen, »wir überlegen’s uns, wie’s uns paßt!« Kalt und giftig sah sie den Maxl an.
»Um Gottes willen, streitets doch nicht schon wieder!« rief unsere Mutter ängstlich. Ihr Gesicht wurde ganz verzagt. Die zwei älteren Schwestern standen ohne ein Wort vom Tisch auf und gingen hinaus. »Los jetzt! Los-los! Auf!« befahl der Maxl uns Jüngeren. Ganz allein fing die Mutter das Schlußgebet an. Wir hörten ihre traurige, eintönige Stimme. –
Der Eugen kam vom Militär heim. Es gab einige Aussprachen zwischen ihm und dem Maxl, aber die beiden stritten nicht. Das schrieb Mutter der Nachgiebigkeit Eugens zu. Sie
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