Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
Grundsätzliches angekündigt hatte. „Aber ich bin, was die Erbschafts- und Schenkungsfragen angeht, noch zu keiner Lösung vorgedrungen. Auch nicht, was das Haus und den Garten angeht. An manchen Tagen ertrage ich es kaum, in den ersten Stock zu gehen, weil ich zu viele Türen sehe, die von niemandem mehr geöffnet werden. Andererseits habt ihr euer eigenes Leben, auch wenn ich (er blickte ganz kurz in Bernhards Richtung) dieses Leben immer weniger verstehe und noch viel weniger tolerieren kann. Also, für einen alten Ingenieur wie mich sind das noch zu viele Einerseits und Andererseits.“
„Möchtest du, dass wir aus Gerding zurückkehren. Ich kann die Entscheidung natürlich nicht alleine treffen …“
„Ich habe euer Haus nicht vorfinanziert, um ein Druckmittel in den Händen zu haben, dasselbe Haus in nächster Zeit wieder zu verkaufen.“
„Was die Schenkung angeht“, warf Bernhard ein, „gibt es steuerlich jede Menge Argumente …“
„Danke für den Nachhilfeunterricht“, unterbrach ihn sein Vater, „aber es mag Gründe geben, in denen man sein Geld eher später dem Staat schenkt als jetzt seinem Sohn.“
Der Satz ließ Bernhard erstarren. Die Hand, die gerade ein Stück Marmorkuchen zum Mund führen wollte, verharrte auf der Mitte des Weges. Dann atmete er tief ein, legte den Kuchen zurück auf den Teller und sagte, dass er im Garten eine Zigarette rauchen wolle. Eine oder zwei oder auch drei.
Später schauten sie gemeinsam die Nachrichten im Fernsehen, aßen belegte Brote und spielten Skat. Als Frieder die Teller in die Spülmaschine räumte, sagte Bernhard, dass er nicht wie vorgesehen im Haus seines Vaters schlafen wolle. Frieder überlegte einen Moment; er wollte sich weder auf die Seite seines Bruders noch auf die seines Vaters schlagen. Er wollte so bald wie möglich zu Hause sein, in Gerding, und, aus welchen Gründen auch immer, fühlte er sich Daria und Svenja näher, wenn er in der Wohnung seines Bruders schlief und nicht in seinem alten Kinderzimmer im ersten Stock.
Die Nachmittagssonne zeichnete eine bizarre Architektur in den Sand. Eine Wand, mehr als vier Meter hoch, breit wie ein Garagentor. Eine Art Baumhaus auf Stelzen mit einem spitzen Turm auf der linken Seite und einer Rampe auf der rechten. Ein paar Schritte entfernt eine Art Gerippe in der Form eines Zeltes. Ein Schatten bewegte sich flink in dem Gerippe, das selbst beweglich war, als wäre es aus Gummi.
Daria beobachtete, wie ihre Tochter an einem Seil hochkletterte, bis zur Spitze der zeltartigen Konstruktion, und sie dann umrundete, indem sie ihre Füße blind auf die quer laufenden Seile setzte. Die Maschen waren so eng gesetzt, dass ein Kind nicht durch sie hindurchrutschen konnte. Als Svenja die Umrundung geschafft hatte, löste sie die rechte Hand und winkte ihrer Mutter.
Daria lächelte, winkte zurück und setzte ihre Sonnenbrille auf. Sie schloss die Augen und konnte doch nicht verhindern, dass eine Träne rechts ihren Nasenrücken hinunterlief. Es war so absurd und so ungeheuer anstrengend. Jeden Tag kam eine Mail von Georg, die sie nicht las, sondern per Mausklick in den Papierkorb wegschob. In den mittlerweile ziemlich vollen Georg-Papierkorb. Sie wollte Georg nicht, physisch , sie wollte auch Frieder nicht. Warum musste sie sich auf einen zweiten Mann einlassen, nur um zu erkennen, dass sie weder ihn noch den ersten wollte? Wenn es ein Recht gibt, geliebt zu werden – gibt es kein Recht, einmal nicht geliebt zu werden? Vorübergehend nicht geliebt zu werden?
„Haben wir was zu essen dabei? Kekse oder so?“
Daria öffnete erschreckt die Augen. Svenja stand vor ihr und schlenkerte mit den Armen.
„Du hast doch gesehen, dass ich nichts mitgenommen habe.“
„Bitte, Mama. Nur Kekse. Oder irgendwas anderes.“
Daria schob die Sonnenbrille hoch und schaute rechts an ihrer Tochter vorbei. Auf einer Bank wenige Meter weiter saßen zwei Mütter und legten Plätzchen und kleingeschnittenes Obst auf eine Serviette, während ihre Kinder im Sand spielten. Eine der beiden Frauen holte aus einer Jutetasche einen Tetrapak mit Früchtetee.
„Liebling.“ Sie legte die Hände an Svenjas Wangen. „Weißt du eigentlich, wie ähnlich wir uns sehen? Du hast die Sommersprossen an denselben Stellen wie ich. Als hätte sie jemand mit Pauspapier von meinem Gesicht auf deines übertragen.“
„Ich will etwas zu essen, Mama.“
„Svenja, du weißt doch, dass wir nichts dabeihaben. Was soll bitte diese
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