Das letzte Opfer (German Edition)
zu Bett, um am nächsten Morgen erneut mit ihm aufzustehen. Häufig schreckte er nachts aus dem Schlaf, weil er träumte, wie Elisabeth Brandow, Angela Karpeling, Silvia Lenz, Marion Schneider, Julia Roberts und im September 1996 eine noch gesichtslose Frau starben. Immer stand er dabei und konnte es nicht verhindern. Wenn er aus solchen Träumen aufwachte und ins Bad ging, sah er ihn unmittelbar vor sich. Und wenn er genauer hinschaute, sah er im Spiegel nur sein eigenes, übernächtigtes Gesicht.
Zurück
Im Frühjahr 1995, als Thomas Scheib sich verzweifelt fragte, wie er den nächsten Mord verhindern könne, erfuhr Sarah Dierden vom Notverkauf eines Hauses am Amselweg, nur zwei Kilometer von dem Altbau in der Sindorfer Ortsmitte entfernt, an dem Norbert immer noch herumwerkelte.
Es war ein frei stehendes Haus mit Südterrasse, einem Balkon vor dem Schlafzimmer, Dachgauben und viel Grün drum herum, ein schönes, großes Eckgrundstück, sehr gepflegt. Im Garten gab es sogar einen kleinen Zierteich mit Springbrunnen. Das Haus war erst drei Jahre alt. Die Besitzer lebten in Scheidung, die Finanzierung des Hauses lief über eine Hypothekenbank, mit der Sarah beruflich zu tun hatte. Dort dachte man bereits an eine Versteigerung, wenn sich kein Käufer finden sollte. Die Besitzer hatten eine unrealistische Preisvorstellung.
Marko fand den Preis akzeptabel. Er war sofort bereit, sich das Haus anzuschauen, spielte seit geraumer Zeit mit dem Gedanken an einen Umzug. In Köln eine Wohnung zu suchen, hielt er nicht für sinnvoll. Er hatte schon daran gedacht, mit ihr in die Eifel zu ziehen, aber das Häuschen seiner Großtante war winzig. Von dem Haus in Sindorf war er auf Anhieb begeistert. Ruhige Wohngegend am Ortsrand. Der Amselweg war eine Sackgasse mit Wendehammer, es gab nur drei Häuser auf jeder Seite. Das zum Verkauf stehende Haus stand am Ende beim Wendehammer, am Garten führten nur noch Fußwege vorbei.
Karen wäre entschieden lieber in Köln geblieben, da fühlte sie sich wohl und nützlich. Margo sah in ihr bereits die Nachfolgerin. Aber Marko gefiel es nicht, wie sie sich in der Agentur einspannen ließ – oder sich engagierte. Sie hatte dort ja auch mit attraktiven jungen Männern zu tun, er war sehr eifersüchtig, hatte nicht vergessen, unter welch hässlichen Umständen sie sich das erste Mal begegnet waren. Nun meinte er, es seien die Umstände gewesen, die sie seine Nähe suchen ließen, nicht etwa Liebe oder Verliebtheit. Dann habe sie bei Margo gefunden, was sie bei ihrer Mutter vergebens suchte, Verständnis und gutes Einvernehmen. Aber wenn sie unbedingt in Margos Fußstapfen treten wolle, hätte sie ihm das vor der Hochzeit sagen müssen.
Er sah es nicht völlig falsch. Sie mochte ihn, aber sie liebte ihn nicht. Sie war einmal verliebt gewesen, für zwei Wochen im Januar 1988, ehe sie mit Jasmin schwanger wurde. Und sie meinte, solch ein intensives Gefühl könne sie nie wieder empfinden. Oft hatte sie ein schlechtes Gewissen deshalb. Wenn Marko tagelang unterwegs war, er fehlte ihr nicht. Nie spürte sie so etwas wie Sehnsucht nach Zärtlichkeit.
Sie hätte ihn nicht heiraten dürfen unter diesen Voraussetzungen, das wusste sie. Er wünschte sich ein eigenes Kind und für sein Kind eine Mutter, die sich nicht zwischen Job und Familie aufrieb. Er wollte sein Kind auch nicht in einer Großstadt aufwachsen lassen, wo man es nicht unbeaufsichtigt auf die Straße lassen konnte. Für ein Leben mit Kindern sei es auf dem Land besser, sagte er. Und vielleicht wäre Jasmin bereit, bei ihnen zu leben, wenn sie jederzeit zu Christa laufen könne, meinte er.
Das gab den Ausschlag. Sie fand das Haus ja auch schön. Die Zimmer waren groß und hell, die Einrichtung sagte ihr ebenfalls zu. Das meiste sollten sie übernehmen, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Einbauküche. Das machten die Besitzer zur Bedingung, ihnen ersparte es den Streit um die Aufteilung.
Margo war sehr enttäuscht, überließ ihr aber trotzdem einen Computer, damit sie sich beschäftigen, vielleicht noch ein paar bittersüße Geschichten schreiben konnte. Margo übernahm auch die Abschlagszahlung für die Möbel. Die notwendigen Malerarbeiten führte Norbert in seiner Freizeit aus. Schon vier Wochen, nachdem die Formalitäten des Kaufs abgeschlossen waren, konnten sie einziehen.
Von den Nachbarn wurden sie zu Anfang misstrauisch beäugt wie seltene Tiere, bei denen man nicht wusste, ob sie bissig oder giftig waren. Norbert hatte bei der
Weitere Kostenlose Bücher