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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Morgenlicht einzufangen, schwärmte von einer Rotbuche, frisch ausgeschlagen, ein Traum in Rosa. «Ach, Schatz, warum bist du nicht bei mir?», seufzte er. «Du müsstest das mit eigenen Augen sehen.»
    «Ich werde es ja bestimmt bald auf einem Foto bewundern können», meinte sie und fragte: «Was war denn gestern Abend los? Kevin sagte, eine Frau hätte geschrien.»
    «Nichts von Bedeutung, Schatz», sagte Marko. «Ein altes Weib hat sich aufgeregt, weil ich mit dem Wagen auf einem Waldweg stand.» Als Karen vernehmlich gähnte, entschuldigte er sich, sie so früh geweckt zu haben. «Tut mir Leid, Schatz, ich habe gar nicht auf die Uhr geschaut. Leg dich wieder hin. Du schläfst bestimmt nochmal ein.»
    Daran war nicht zu denken, vom Telefonklingeln war Kevin aufgewacht und grenzenlos erleichtert, dass sein Papa noch lebte. Er plapperte den halben Vormittag von der bösen Hexe, ihrem Häuschen im dunklen Wald und dem Stall voller Frauen, die keine Haare mehr hatten und Finger so steif wie seine Bausteine. Es klang, als sei er im Stall und auch im Hexenhaus gewesen. «Ich wollt ein Keks haben, aber die Dose war leer. Papa hat gesagt, sie esst ihre Kekse immer ganz schnell alleine auf, ihn hat sie auch nie eins abgegeben.»
    Nach Märchenwald klang das nicht mehr, eher nach Markos Großtante, aber das konnte nicht sein. Die alte Frau lag seit Jahren unter der Erde, ihr Häuschen im Wald existierte auch nicht mehr. In der Woche nach Kevins Geburt hatte Marko ihr erzählt, das große Grundstück sei verkauft, er habe einen guten Preis dafür erzielt. Es hatte zwar nicht gereicht, die Hypothek für ihr Haus zu tilgen, aber es war ein hübsches Sümmchen auf der hohen Kante.
    Weil sie keine Lust hatte zu kochen und noch länger zu grübeln, ging sie schon vor Mittag mit ihrem Sohn zu ihrer Familie. Norbert schlief noch, er war erst gegen Morgen aus Süddeutschland zurückgekommen. Sarah berichtete von seiner Hilfsaktion und brachte sie damit vorübergehend auf andere Gedanken.
    Karen kannte die Geschwister Lohmann auch, aber nur flüchtig. Im vergangenen Jahr hatte Norbert einige Reparaturen an dem alten Haus durchgeführt. Einmal war sie mit Sarah nach Frechen gefahren, um ihn abzuholen, weil Marko an dem Tag Norberts Auto hatte.
    Zum Mittagessen stand Norbert auf und erzählte ebenfalls noch einiges. Oliver Lohmann hatte ihm mehr als einmal von der lästigen Romanze seiner Schwester berichtet und während der langen Fahrt nach Edenbergen über nichts anderes gesprochen als den Telefonterror der vergangenen Woche und Leitners Selbstmorddrohung. Norbert nahm das zum Anlass, über Eifersucht im Allgemeinen und im Besonderen zu reden und zu spekulieren, wozu ein eifersüchtiger Mann fähig wäre, wenn er befürchten musste, verlassen zu werden. Die Anspielung auf Marko war nicht zu überhören, sie ging nicht darauf ein.
    Marko rief an, als sie beim Nachtisch saßen, um festzustellen, ob sie tatsächlich die Gesellschaft ihres Vaters genoss. Nach dem Essen fragte Karlheinz: «Was hältst du von einem Verdauungsspaziergang, Karen?»
    Sie nahmen Michael und Kevin mit, Jasmin hatte keine Lust, sie zu begleiten. Dabei hatte Karen sich auf ihre Tochter besonders gefreut. Wenn sie Jasmin anschaute, sah sie sich in einem Alter, in dem es für sie noch keine Li, keinen Radfahrer, keine wilden Enten und keine Grübeleien gegeben hatte, nur gute Schulnoten, den Applaus des Publikums nach einem Theaterstück und vorbehaltlose Liebe, zu den Menschen, die ihr nahe standen.
    Karlheinz wollte von ihr wissen, was los sei. Norberts Spekulationen über eifersüchtige Männer hatten ihn hellhörig gemacht. Es wunderte ihn auch, dass Marko alleine in Urlaub gefahren war. Ehe sie zu einer Antwort kam, erklärte Kevin: «Mama hat viel geweint und fährt jetzt immer zu ein Klempner.»
    Daraufhin sagte Michael: «Alte Petze. Oma hat gesagt, Opa darf das nicht wissen.»
    Nun wollte Karlheinz es natürlich ganz genau wissen. Und Michael erzählte ihm treu und brav: «Mein Papa hat zu Oma gesagt, sie soll Karen den Schlüssel abnehmen, aber gut aufpassen, dass Karen es nicht merkt. Wenn es geklappt hat, soll Oma ihn anrufen. Er will sich einmal bei Karen umschauen.»
    Was sollte man erwarten von einem Sechsjährigen, der so etwas aufschnappte und nicht wusste, was man unter Geheimhaltung verstand? Sie glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Wann sein Papa das zu Oma gesagt hatte, wusste Michael nicht mehr genau. Es war lange her, bei ihm war alles

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