Das letzte Opfer (German Edition)
los, sag’s ihr. Bei dir kommt’s doch auf eine mehr oder weniger nicht an.»
Er tippte sich heftig an die Stirn. «Hast du ’ne Macke? Die hab ich nicht angerührt. Ich steh nicht auf junges Gemüse.»
«Willst du damit sagen, ich sei alt?», fragte Li.
Darauf bekam sie keine Antwort. «Scheißweiber», sagte er nur noch. Dann ging er, sein Begleiter folgte ihm mit verdutzter Miene. Li war wütend auf sie gewesen. «Ich hab dir doch gesagt, lass dir nichts anmerken! Was hast du dir dabei gedacht? Fühlst du dich jetzt besser?»
Als Sarah um halb sieben kam, tippte Karen immer noch. Kevin öffnete die Haustür. Sarah hatte wie üblich vor der Praxis Gerber auf sie gewartet, es waren feste Termine, da musste man sich nicht jedes Mal absprechen. Als sie nicht kam, hatte Sarah nachgefragt, war bereits über die abgebrochene Stunde informiert, hielt Hypnose für eine gute Idee und meinte: «Du kannst nicht mittendrin aufhören, Karen.»
«Wir sind nicht mittendrin», erklärte sie heftig. «Wir sind fertig. Gerber weiß genau, was damals passiert ist.»
«Deshalb will er dich ja auch unbedingt hypnotisieren», stellte Sarah fest und bat eindringlich. «Lass es ihn machen, Karen. Du musst begreifen, wie es damals zu dem Unfall gekommen ist.»
«Und wenn ich es begriffen habe, soll ich es aufschreiben, ja?», fragte sie. «Damit Norbert es auch begreifen kann. Was hat er sich dabei gedacht, hier herumschnüffeln zu wollen? Wenn er etwas lesen will, soll er sich ein Buch kaufen.»
«Er wollte nichts lesen», behauptete Sarah. «Er weiß doch gar nicht, wie man mit einem Computer umgeht.»
Das glaubte sie nicht, das wusste inzwischen jedes Kind. Sarah schielte an ihr vorbei auf den Bildschirm, von dem der Text schon verschwunden war. Abgespeichert hatte sie sofort, als es klingelte. «Was wollte er dann?», fragte Karen.
Sarah machte eine hilflose Geste. «Ich weiß es nicht. Man kann nicht mehr vernünftig mit ihm reden seit dieser verfluchten Zeitungsgeschichte. Er meint, du hättest Julia Roberts erkannt.»
«Wo?», fragte sie verblüfft.
«Im Stern », sagte Sarah. «Du hast dir die Fotos doch angeschaut.»
«Dazu bin ich nicht gekommen», erklärte sie. «Er hat mir die Zeitung doch sofort aus der Hand gerissen.»
«Und der Name sagt dir auch nichts?», fragte Sarah. «Norbert sagte, sie hätte sich ein paar Wochen vor deiner Hochzeit in der Agentur beworben. Du hättest dich über ihren Brief amüsiert, weil sie sehr von sich eingenommen war und unbedingt zum Film wollte. Sie war ein Typ wie Barbara.»
Als sie den Kopf schüttelte, bat Sarah: «Sag ihm nicht, dass ich dich gefragt habe. Halt auch bei Marko den Mund. Norbert will nicht, dass ich mit dir darüber spreche. Ich glaube, er hat tierische Angst. Ich hab den Bericht ja auch gelesen. Acht Frauen, Karen, drei tot, fünf vermisst. Die letzte hatte ein kleines Kind. In der Zeitung war eine Täterbeschreibung, vermutlich passt sie auf hunderttausend Männer. Aber es fahren nicht hunderttausend jedes zweite Jahr allein in den Schwarzwald, immer um die Zeit, wenn sie verschwinden. Und jetzt ist Barbara …»
Unvermittelt brach Sarah ab, dachte vielleicht, Karen sei die Letzte, mit der man über so etwas reden könne. Aber dann erzählte sie ihr doch, dass Barbara Lohmann vermisst wurde. Sie hatte es am frühen Nachmittag von Norbert gehört.
«Oliver ist überzeugt, dass ihr Freund sie umgebracht hat, mit dem wurde sie zuletzt gesehen. Aber dessen Vater ist Anwalt, und er behauptet, seine Frau hätte Barbara um fünf Uhr zurück zu dieser Raststätte gebracht. Um die Zeit war Norbert in Edenbergen. Wenn das rauskommt, wie soll er beweisen, dass er Barbara nicht mitgenommen hat? Sie kannten sich gut, natürlich wäre sie mit ihm gefahren.»
Sie gab sich Mühe, ihre Schwägerin zu beruhigen, obwohl ihr selbst nach Heulen zumute war. Acht Frauen, drei tot, fünf vermisst, das war zu ungeheuerlich, geradezu monströs, darüber konnte sie nicht einmal nachdenken. Aber Barbara Lohmanns Anblick schwebte ihr noch deutlich vor Augen. Sie hatten im vergangenen Jahr fast eine Stunde zu dritt bei einem Kaffee in einem kleinen Wohnzimmer gesessen und sich unterhalten, während Norbert und Oliver noch draußen arbeiteten.
Und Julia Roberts! An den Namen erinnerte sie sich nicht, auch nicht an einen Brief, über den sie sich amüsiert haben sollte. Es war sechs Jahre her, und es waren damals viele Briefe und Fotos gekommen von hübschen, jungen Frauen,
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