Das Letzte Plädoyer: Roman
sagte«, meinte Richter Redmayne. »Ich hoffe doch, dass nicht du dieses Gerücht gestreut hast.«
»Das muss ich nicht«, erwiderte Alex. »Der Mann hat genug Feinde, die nur zu gern in dieses Horn stoßen.«
»Da du in diesen Fall verwickelt bist, wäre es dennoch unklug von dir, wenn du deine Meinung dazu vor unseren Anwaltskollegen kundtun solltest.«
»Selbst wenn er schuldig ist?«
»Selbst wenn er der Teufel in Person ist.«
Am Ende der Woche schrieb Beth ihren ersten Brief an Danny. Sie hoffte, dass er jemanden finden würde, der ihm den Brief vorlas. Bevor sie den Umschlag verschloss, schob sie einen Zehn-Pfund-Schein hinein. Sie wollte Danny einmal die Woche schreiben und ihn immer am ersten Sonntag des Monats besuchen. Mr. Redmayne hatte ihr erklärt, dass Lebenslängliche in den ersten zehn Jahren nur einmal pro Monat Besuch haben durften. Am nächsten Morgen warf sie den Brief in den Briefkasten an der Bacon Road, bevor sie mit dem Bus Nummer 25 in die Innenstadt fuhr. Dannys Name durfte im Haus der Wilsons nie erwähnt werden, weil ihr Dad sonst in die Luft ging. Beth legte die Hand auf den Bauch und fragte sich, was für eine Zukunft ein Kind haben konnte, das seinen Vater nur einmal im Monat im Gefängnis zu sehen bekam. Sie betete, dass es ein Mädchen werden würde.
»Du brauchst einen Haarschnitt«, verkündete Big Al.
»Was schlägst du vor?«, entgegnete Danny. »Soll ich Mr. Pascoe fragen, ob ich nächsten Samstagvormittag freikriege, damit ich zu
Sammys
an der Mile End Road gehen und meinen üblichen Schnitt verlangen kann?«
»Das wird nicht nötig sein«, meinte Big Al. »Mach einfach einen Termin bei Louis.«
»Und wer is Louis?«, wollte Danny wissen.
»Der Gefängnisfriseur«, klärte Big Al ihn auf. »Für gewöhnlich schafft er ungefähr fünf Gefangene während der vierzig Minuten Freigang, aber er ist so beliebt, dass du vielleicht einen Monat warten musst, bevor du an der Reihe bist. Da du in den nächsten 22 Jahren keine anderen Verpflichtungen hast, sollte das ja aber kein Problem sein. Wenn du natürlich schneller drankommen willst, dann musst du drei Zigaretten für eine Schädelrasur oder fünf Zigaretten für Kürzen hinten und an den Seiten blechen. Und unser Landjunker hier«, sagte Big Al und zeigte auf Nick, der sich auf seiner Pritsche gegen das Kissen lehnte und ein Buch las, »muss zehn Zigaretten abdrücken, weil er immer noch wie ein Offizier und Gentleman aussehen will.«
»Kurz an den Seiten und hinten reicht mir völlig«, sagte Danny. »Aber womit schneidet er? Ich will nich, dass mir die Haare mit einem Plastikmesser und einer Plastikgabel abgesäbelt werden.«
Nick legte sein Buch nieder. »Louis verfügt über eine handelsübliche Ausstattung – diverse Scheren und sogar ein Rasiermesser.«
»Wie kommt er denn damit durch?«, fragte Danny.
»Gar nicht«, klärte Big Al ihn auf. »Ein Wärter gibt ihm die Sachen zu Beginn des Freigangs und sammelt sie wieder ein, bevor wir in unsere Zellen zurückkehren. Und bevor du fragst: Falls je etwas fehlen sollte, verliert Louis seinen Job und jede Zelle würde so lange durchsucht, bis die Wärter das fehlende Teil gefunden haben.«
»Ist dieser Louis gut?«, fragte Danny.
»Bevor er hier gelandet ist, hat er in Mayfair gearbeitet«, erzählte Big Al. »Hat fünfzig Pfund pro Kopf abgesahnt.«
»Und wie landet so einer im Knast?«, wollte Danny wissen.
»Einbruchdiebstahl«, erklärte Nick.
»Einbruchdiebstahl, von wegen«, fiel ihm Big Al ins Wort, »schon eher sittenwidriges Verhalten. Wurde in Hampstead Heath mit heruntergelassenen Hosen erwischt, und er war nicht am Pissen, als die Bullen auftauchten.«
»Wenn alle wissen, dass er schwul ist, wie kann er dann hier überleben?«, erkundigte sich Danny.
»Gute Frage«, sagte Big Al. »In den meisten Gefängnissen wird ein Schwuler, sobald er unter die Dusche tritt, von den anderen nacheinander vergewaltigt und anschließend zusammengeschlagen.«
»Und was hält sie hier davon ab?«, wollte Danny wissen.
»Gute Friseure sind eine Rarität«, erklärte Nick.
»Junker Nick hat recht«, bestätigte Big Al. »Unser letzter Friseur hatte so ein Zitterleiden, und man konnte sich keine Sekunde entspannen, wenn er ein Rasiermesser in der Hand hielt. Ein paar von uns hatten am Schluss sehr, sehr lange Haare.«
20
»Zwei Briefe für Sie, Cartwright«, rief der Blockleiter und hielt Danny zwei Umschläge entgegen. »Übrigens haben wir einen
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