Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
verbrachte sie in einer Art
Halbschlaf. Das rhythmische Tickeditack des Zuges, der Wind, der durchs Fenster wehte, die grelle Sonne, die
hereinschien, der ewig gleiche hellblaue Himmel und dann die Weite, diese
rötlich glühende Weite, die sich auf allen Seiten um sie herum ins Unendliche
auszudehnen schien ... All dies ermattete sie. Nie hätte sie es für möglich
gehalten, dass nicht Mauern und Widerstände, sondern das Grenzenlose, der freie
Blick, so entmutigend auf ihren Körper und ihre Seele wirken könnten. Wie würde
es erst in Neumünster aussehen? Noch achthundert Kilometer weiter weg, wohin
weder eine Straße noch eine Eisenbahnstrecke führte, wo sie und Paul und John
die einzigen Weißen wären. Sie schloss die Augen, doch als der Blick des
gefangenen Eingeborenen wieder vor ihr auftauchte und sie in Unruhe versetzte,
zwang sie sich, aus dem Fenster zu sehen und sich auf die Betrachtung der
Landschaft zu konzentrieren, auf die rotschwarzen Steine, die die Ebene
pflasterten, die stachligen silbrigen Büsche ...
Emma entdeckte, dass
manche von ihnen gelbe Blüten, wunderbar sonnengelbe Blüten trugen und dass ein
lilafarbener Blütenteppich an einigen Stellen die eisenroten Steine bedeckte.
Da! In der Ferne rannten Emus, ihre buschigen Körper hüpften auf und ab,
während ihre langen, federlosen Hälse seltsam unbewegt blieben. Was für ein
Land!, dachte Emma und musste ihre Augen vor der Helligkeit der gleißenden
Sonne schützen.
14
„Mister Gordon!“, empfing
ihn Mrs. Warton entzückt. „Wir hatten Sie schon früher erwartet!“ Robert Gordon
lächelte breit und stellte sein Gepäck, das aus dem Fotokoffer und einer Tasche
mit Kleidung bestand, vor der Rezeptionstheke ab. Er war sehr groß und sehr
schlank und hatte sich bücken müssen, als er zur Tür hereingekommen war. „Ja,
wir hatten ein paar Schwierigkeiten mit dem Auto.“ Er strich die dunkle
Haarsträhne zurück, die ihm immer ins Gesicht und über die Augenbrauen fiel.
Die Sache hatte ihn und Moses, seinen Assistenten und Begleiter, ziemlich viel
Zeit gekostet. Sie waren über eine Ebene mit Gras gefahren, das sich um die
Radachsen gewickelt hatte, bis sie schließlich mitten im Niemandsland
feststeckten. Die Räder wieder frei zubekommen war eine Heidenarbeit gewesen. „Ah,
das Automobil!“ Mrs. Warton hob bewundernd die Brauen. „Ja, das verdammte Ding
ist ganz schön zickig!“ Er lachte
und hob demonstrativ seine dunkel behaarten Arme, die unter den
hochgekrempelten Ärmeln seines verschwitzen Khaki-Hemds hervorschauten. Sie
waren immer noch ölverschmiert. „Oh!“ Mrs. Warton zuckte in gespieltem
Erschrecken zurück.
Er hatte den Dodge 4,
der neu über 300 Pfund kostete, für 120 Pfund von einem Ingenieur in Adelaide
gekauft. Dann hatte er selbst den hinteren Teil zu einer Ladefläche umgebaut
und die Karosserie rot angestrichen. Soweit er wusste, gab es nur noch einen privaten Besitzer eines Autos in
ganz Zentralaustralien. Allerdings – es würde nicht mehr lange dauern,
hatten ihm einige Kameltreiber anvertraut, bis die Post nicht mehr per
Kamelkarawane, sondern mit Automobilen transportiert würde. „Und was macht ihr
dann mit euren Kamelen?“, hatte Robert gefragt. Der Transportunternehmer hatte
die Schultern hochgezogen und kurz zum Himmel gesehen. „Allah wird uns schon
eine neue Aufgabe geben“, war seine Antwort gewesen.
„Und ...“ Er stützte
seine Arme breit auf die Theke und sah Mrs. Warton tief in die Augen. Es machte
ihm Spaß, sie ein wenig zu reizen. Unterwegs traf er nicht sehr oft auf
Menschen. „Wie geht es Ihrer Tochter, Mrs. Warton? Gefällt Ihnen das Foto noch,
das ich gemacht habe?“ Tatsächlich errötete Mrs. Warton geschmeichelt. „Aber
sicher! Sie glauben gar nicht, wie viele Herren mich schon gefragt haben, wer
diese hübsche junge Dame auf dem Foto ist.“ „Sehen Sie! Ich hoffe, Sie geben
gut auf Sie Acht. Ist sie übrigens hier? Dann würde ich doch gern guten Tag
sagen.“ Die kleine Warton war zwar keine Schönheit, aber nach so langer
einsamer Fahrt durch die Wüste fände er es angenehm, mit ihr spazieren zu gehen
und ein wenig mit ihr zu flirten. Vielleicht würde sich auch die Gelegenheit
ergeben, sie zu küssen. So sehr er die Einsamkeit liebte, so machte sie ihm doch bisweilen
zu schaffen. „Oh, da muss ich Sie enttäuschen, Mister Gordon.“ Mrs. Warton
schüttelte bedauernd den Kopf. „Sie ist raus zur Farm
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