Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
der Russels.“ Ärgerlich,
dachte er und sagte seufzend: „Das ist aber sehr bedauerlich!“ „Tja, Sie sind
einfach zu spät gekommen!“ Sie lächelte neckisch, was er an einer Frau ihres
Alters und ihres Aussehens albern fand. „Sie haben gerade die neuen Missionare
von Neumünster verpasst!“
Das ist die neue Missionarin? Die zierliche Frau mit dem weizenblonden Haar? Er
hatte Mrs. Warton gerade fragen wollen, ob sie die Dame kannte. Was, zum
Teufel, macht eine solche Frau hier draußen? Sofort schlug sein Herz schneller.
Manchmal dachte er, bin ich wie ein Jäger, den die Jagd erregt ...
„Tatsächlich?“, fragte er betont gleichgültig. Mrs. Warton nickte eifrig. Er
wusste, dass sie es liebte, Neuigkeiten preisgeben zu können. „Ja!“ Sie
lächelte verschmitzt. „Also, vielleicht sollten Sie ein paar Fotografien in
Neumünster machen.“ Sie zwinkerte kokett. Er stellte sich dumm. „Ach, ja?“ „Ja
...“ Wieder dieses Lächeln. Dann seufzte sie und blätterte lange im aufgeschlagenen
Gästebuch. „Ich frag’ mich immer, was die Leute zu solchen Unternehmungen
treibt.“ „Das fragen sich viele bei Ihnen sicher auch, Mrs. Warton? Was hat Sie
denn hierher verschlagen?“ Eigentlich war es ihm egal, aber er wollte noch ein
paar weitere Informationen aus ihr herauskitzeln. „Oh, bei mir war’s die
Liebe.“ Sie zupfte an ihrer Schürze. „Na ja, und jetzt ist’s zu spät, um noch
was anderes zu tun.“ Mit einem tapferen Ausdruck sah sie ihn an. Er horchte auf
und sagte: „Bei den Missionaren ist es wahrscheinlich auch die Liebe.“ Sie
schüttelte den Kopf mit dem strengen Knoten. „Oh, nein, glücklich sahen die
beiden nicht aus.“ „Es gibt gute und schlechte Tage in der Liebe, Mrs. Warton“,
sagte er besonders beiläufig und trug sich ins Gästebuch ein, das sie in seine
Richtung gedreht hatte. „Ach, das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Mr. Gordon!“
Sie winkte ab und setzte wieder ihr neckisches Lächeln auf. „Ich glaube, da
habe ich mehr Erfahrung als Sie, ich meine, was die Ehe angeht, aber ...“, sie räusperte
sich und vergewisserte sich mit einem schnellen Blick nach links und rechts,
dass wirklich kein ungebetener Zuhörer in der Nähe war, „... aber im Ernst: Ich
glaube, diese Mrs. Schott wird es mit ihrem Mann nicht leicht haben. Wenn Sie
mich fragen, dann ist er ein fanatischer Prediger!“ Er lachte. Er hatte gar
nicht gewusst, über welch rasches Urteilsvermögen Mrs. Warton verfügte. „Der
Zahn wird ihm schon noch gezogen werden, in Neumünster, meinen Sie nicht?“ Sie
nickte und schlug die Hände zusammen. „Wer weiß, was für ein Drama diesmal
passiert!“ Ihm war klar, dass sie damit auf das Verschwinden der Missionare
anspielte. „Es muss ja nicht alles schlecht enden, oder?“ „Nein, natürlich
nicht, aber ... ach ...“ Sie griff unter die Theke. „Sie wollen doch sicher
ihren Schlüssel, nicht wahr?“ Er nahm ihn lächelnd entgegen. Sie erwiderte sein
Lächeln. „Haben Sie neue Bilder? Oh, ich bin schon so gespannt!“ „Warten Sie es
ab!“
Er nahm den Schlüssel
und ging mit seinem Gepäck die Treppe hinauf. Er hatte eine ganze Menge Fotos
in den letzten vier Monaten gemacht. Von der Universität Adelaide hatte er den
Auftrag, das Leben der Aborigines in Südaustralien zu dokumentieren.
Anthropologen, Politiker, Wirtschaftsvertreter, Investitions-Agenturen, sie
alle hatten ein Interesse an den Ureinwohnern. Die einen wollten sie wie
Ausstellungsstücke in einem Museum herzeigen, die anderen verfolgten ihre
Assimilierung und ihr allmähliches Verschwinden, wieder andere wollten sich
einen Überblick über billige Arbeitskräfte verschaffen. Er lebte von diesen
Interessen. Zuerst hatte er versucht, nur für Anthropologen zu arbeiten, doch
dann hatte er feststellen müssen, dass auch sie die Eingeborenen für ihre
Zwecke ausnutzten. Dann hatte er von jeder dieser Gruppen Aufträge angenommen. Also, auch er lebte
von den Eingeborenen, da machte er sich nichts vor. Dass er Moses dabei hatte
und ihn bezahlte, machte ihm ein besseres Gewissen. Er band das rote Halstuch
ab und weichte es in einer Schüssel mit Seifenwasser ein.
Als er sich am
Waschtisch gründlich wusch, Wasser in sein von Sonne und Wind gegerbtes, braun
gebranntes Gesicht spritzte, sich die tagealten Bartstoppeln von den Wangen und
dem kantigen Kinn rasierte, das dunkle nasse Haar sorgfältig aus der Stirn
kämmte, dachte er
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