Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Antwort darauf weiß.“ Er
lächelte und richtete sich auf, ohne den Koffer hochzunehmen. „Die Eingeborenen
im Zug, was haben sie verbrochen, und was geschieht mit ihnen?“ Die Frage ließ
sie nicht los. „Oh, die Kerle sind Viehdiebe. Sie haben Rinder gestohlen und
geschlachtet. Ist ein ziemlicher Verlust für die Viehzüchter. Sie haben ja
gesehen, wie die Landschaft aussieht. Zu wenig Regen. Wovon sollen sie denn
leben?“ Das hatte sie sich auch schon gefragt. Es erschien ihr sowieso
unvorstellbar, dass man überhaupt auf die Idee kam, Tiere in einer solch kargen
Umgebung zu halten. „Aber die Eingeborenen haben die Rinder doch sicher nur
gegessen“, wandte sie ein. „He, was sollten sie denn sonst mit ihnen machen?“
Er grinste. „Na, verkaufen, Geld daraus machen, das, was Diebe eben so machen.“
Er schüttelte den Kopf und nahm ihren Koffer. „Es ist doch völlig gleich, was
sie mit ihnen machen, sie haben die Tiere gestohlen. Das allein zählt.“ Damit
war für ihn das Thema beendet. Er stieg die wenigen Stufen zum Eingang hoch,
und Emma folgte ihm nachdenklich. „Sie haben sie gestohlen, weil auch sie
nichts mehr zu essen hatten, oder?“ Er war schon an der Tür, stieß sie auf und
hielt sie dann mit seinem Körper auf. „Oh, Mrs. Schott, Sie nehmen Partei für
die Eingeborenen. Nun, das kann ich verstehen, Sie sind Missionarin, aber bei
allem, was recht ist, ich bin Polizist und bin für die Einhaltung der Gesetze
zuständig. Und Diebstahl ist nun mal Diebstahl.“ Ja, dachte sie, so einfach ist
das für ihn. Sie folgte ihm in den Eingangsraum.
James Guttrop stellte
den Koffer neben der Theke ab und sah sie dann an. Er zögerte. „Nun, ich will
Ihnen nicht ihren Idealismus nehmen, aber die Eingeborenen sind auch keine
Lämmer. Ich habe schon ein paar Mörder festnehmen müssen. Auch wenn man es
ihnen vielleicht nicht zutraut, aber sie wissen, wie man tötet, und sie tun es
auch.“ Sein Blick ruhte eine Weile auf ihr, suchte etwas, Zustimmung vielleicht
oder Erschrecken? Emma bemühte sich, ihre Skepsis nicht zu deutlich zu zeigen.
Schließlich tippte er an seinen Hut. „Ich habe mich gefreut, Sie kennen zu
lernen, und wünsche Ihnen alles Gute. Haben Sie eine gute Reise, und grüßen Sie
Ihren Herrn Gemahl.“ Emma sah ihm nach, bis die Tür hinter ihm zufiel. Erst
jetzt bemerkte sie, dass Alma noch immer an der Theke stand, sie ansah und Zeugin
ihrer Unterhaltung gewesen war. „Ach, Emma“, sagte Alma dann auch sofort, „ich
hoffe nur, dass Sie nicht zu sehr von ihnen enttäuscht werden.“ „Von wem?“ Emma
sah Unverständnis oder sogar eine leichte Belustigung in Almas Blick. „Von den
Eingeborenen“, antwortete sie. Und in ihrem Ton schwang etwas Herablassendes
mit, das Emma unangenehm berührte.
„Mrs. Schott ...“ Das
war der Mann hinter der Theke. Emma war sich nicht sicher, ob die Röte seines
narbigen Gesichts von der starken Sonne oder vom Alkohol herrührte. Er schob
ihr den Zimmerschlüssel hin und sah sie dabei nur flüchtig an. Natürlich hatte
auch er die Unterhaltung mit angehört. Und sicher hielt er sie für genauso naiv
und unwissend, wie es Alma und der Polizist taten. „Sie sind listig und lügen“,
sagte Alma, als wäre ihr Gespräch nicht unterbrochen worden, und zuckte in
einer schnellen Bewegung die Schultern, als verscheuche sie ein lästiges
Insekt. „Ich kann Sie nur warnen. Seien Sie nicht so leichtgläubig. Ich war es
am Anfang auch und habe meine Lektion gelernt.“ Die Leere auf ihrem Gesicht war
wieder da. „Danke“, sagte Emma. Sie wollte dieses Gespräch endlich beenden.
„Wir werden uns ja noch sehen.“ Damit nahm sie den Schlüssel und ihren Koffer
und fragte: „Mister, wo ist das Zimmer?“ Der rote Kopf tauchte aus dem Dunkel
der hinteren Ecke wieder auf. „Die Tür links“, sagte er in einem gereizten Ton,
als habe er ihr den Weg schon mindestens fünf Mal erklärt.
Das Zimmer ähnelte dem
in Marree, nur war es viel düsterer. Kraftlos ließ sich Emma aufs Bett sinken
und schlief sofort ein. Erst Pauls Stimme weckte sie. Er hatte kein Licht
angemacht. Doch sie erkannte im Dunkeln seine große Statur und erschrak.
„Schlaf weiter“, sagte er nur und legte sich neben sie ins Bett. Bewegungslos
lag sie da, doch seine Hand kam nicht. Da erst merkte sie, dass sie sich gar
nicht ausgezogen hatte. Widerwillig stand sie auf, zog sich bis auf die
Unterwäsche aus und schlüpfte
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