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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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alles? Das Krankenhaus und die Ärzte?“
    „Ihr Mann ist über das Rangeramt versichert, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“
    Jetzt schluchzte die Frau. „Und wenn er gar nicht mehr arbeiten kann?“ Sie zog ein schmuddeliges Taschentuch aus der Schürzentasche und schneuzte sich.
    „Dann bekommt er eine Invalidenrente. Bitte beruhigen Sie sich. Meine Arbeiter sind rundum versichert, gerade weil die Waldarbeit immer mit Gefahren verbunden ist.“
    Die Kinder wurden quengelig. Der Kleinste wollte auf den Schoß der Mutter, ein Junge wollte etwas trinken, und das älteste Mädchen kämmte ein kleineres, bis dieses schrie: „Aua, pass doch auf.“
    Der Ranger stand auf und stellte den Stuhl wieder an die Wand. „Ich muss weiter. Wenn Sie etwas brauchen, schicken Sie den Jungen zu mir. Mit dem Rad ist es nicht weit. Wenn ich nicht da bin, hilft Ihnen meine Haushälterin. Und den Lohn für Ihren Mann bringe ich morgen vorbei, damit Sie Geld im Haus haben.“ Er reichte ihr die Hand und verließ das kleine Cottage, froh, den Mief, die bedrückende Atmosphäre und das trübe Licht hinter sich zu lassen.
    Patrick McDoneral war nicht empfindlich, er wusste, wie es in den armseligen Hütten seiner Arbeiter aussah, aber die Probleme des Tages und die eigene Sorge um den Verletzten, für den er schließlich die Verantwortung trug, hatten ihn mürbe gemacht. Er atmete tief die frische Luft ein, die sich langsam abkühlte und angenehmer wurde.
    Als er am frühen Abend im seinem Haus eintraf, war er erschöpft, entsetzt, dass dieser Unfall überhaupt passieren konnte und müde. Zum Umfallen müde. Aber er konnte sich nicht ausruhen. Die Tiere mussten versorgt werden, die Hunde gefüttert, das Pferd bewegt. Alles Aufgaben, die er selbst erledigen musste. Er hatte zwar Arbeiter, die sich um sein Anwesen kümmerten, aber manches überließ er keinem Fremden. Dazu gehörte die Pflege seiner Tiere. Lilly versorgte sie zwar mit Futter und Wasser, wenn er für ein oder zwei Tage beruflich unterwegs war, aber Pflege und Bewegung waren seine Aufgaben.
    Die Stute war noch auf der Weide und kam in großen Sprüngen an den Zaun, als sie seinen Wagen hörte. Die Hunde bellten im Zwinger, und auch die Hündin wedelte fröhlich mit der Rute, als er sich in ihren Verschlag beugte und ihr den Kopf kraulte, während die nimmersatten Welpen auf ihr herumtollten.
    Patrick brachte Lady in ihre Box, fütterte die Tiere und versorgte sie mit Wasser, dann erst holte er sein Gepäck aus dem Wagen, schloss die Haustür auf und betrat sein kühles, leeres Haus. Er hörte den Anrufbeantworter ab, machte sich ein paar Notizen und setzte sich mit einem gekühlten Glas Weißwein in den Sessel. Erst einmal ausruhen, dachte er, alles andere kann warten. Erst einmal tief durchatmen und ein wenig abschalten. Er lehnte den Kopf an das Rückenpolster, schloss die Augen und genoss die Ruhe.
    Doch er konnte sich nicht entspannen. Es waren nicht so sehr die vergangenen Stunden, die ihn nicht losließen, es war ein anderes Bild, das ihm seit Tagen Probleme bereitete. Das Bild von zwei Menschen, die Hand in Hand durch die Hügel liefen, lachten, scherzten und sich anscheinend überaus gut verstanden. Das Bild eines fremden Mannes und einer durchaus bekannten Frau. Lena Mackingtosh, die Ärztin, die er heute wiede getroffen hatte und der er seit jenem Tag aus dem Weg gegangen war. Denn irgendwie schmerzte ihn der Anblick der beiden, die da Hand in Hand durch sein Revier liefen.
    Eigentlich, überlegte er, müsste ich sie ja anrufen und ihr sagen, wie es Charles geht. Aber jetzt bin ich zu müde. Und wenn sie es morgen erfährt, ist es auch noch früh genug. Er schenkte sich noch ein Glas Wein ein, und dann war er wohl eingenickt, denn plötzlich hörte er die Hunde bellen, ein Wagen fuhr auf den Vorplatz, und eine Autotür schlug zu. Erschrocken sprang er auf, machte Licht an, zog seine Uniform zurecht und strich mit den Händen das Haar glatt. Es klingelte an der Haustür.
    Schlaftrunken – oder war es der Wein und nicht die Müdigkeit? – ging er durch den Flur und öffnete. Im Licht der beiden Hauslaternen stand Dr. Lena Mackingtosh. „Entschuldigen Sie, hoffentlich störe ich nicht.“ Sie reichte ihm die Hand.
    „Tut mir leid, ich bin nach Hause gekommen und gleich im Sessel eingeschlafen. Kommen Sie herein. Dieser Tag hatte es in sich. Ich habe mich noch nicht mal umgezogen.“
    „Ich wollte mich nur nach dem verletzten Charles erkundigen.“

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