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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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weiß, ich müsste es in eine Werkstatt bringen. Ich hätte das schon lange tun müssen.
    Wenn das Auto nicht fährt, sagte sie, ist es kaputt. Wenn es fährt, ohne dass du es willst, ist es auch kaputt. Wenn du es nicht selber reparieren kannst, musst du es in eine Werkstatt bringen.
    Da hast du recht, sagte er.
    Seine Stunde
    Es war so weit. Sie wurden zurückgerufen, Pason brachte sie wieder in den Unterschlupf zurück. Miriam drückte einmal kurz Martens’ Hand, verstohlen, damit Evren es nicht merkte. Es lag alles und nichts in diesem Händedruck.
    Dilawar und Omar erwarteten sie, umringt von den Männern, deren Blicke sich verändert hatten: Es waren jetzt persönliche Blicke. Zuvor hatten die Männer Martens nie direkt in die Augen geschaut und wenn, dann nur zufällig. Sie hatten sich ihm gegenüber weder freundlich noch feindselig verhalten, aber jetzt war das anders. Jetzt blickten sie ihn mit offenem Groll an, manche auch auf eine besondere Weise lüstern. Zuvor war er für sie ein Fremder gewesen, ein Kafir, dem man aber darüber hinaus nichts vorwerfen konnte, ein unbescholtener Heide. Nun aber machten sie ihn und die anderen verantwortlich für den Hubschrauberangriff, den Tod ihrer Brüder, erfolgreich hatte Dilawar ihnen das eingeredet. Evren, Miriam und ihm schlug ihr Zorn entgegen, und dieser Zorn musste gestillt werden, das war unausweichlich. Dilawar hatte den Zorn heraufbeschworen, er war, selbst wenn er gewollt hätte, nicht mehr Herr, sondern Erfüller, er musste den Männern ein Opfer bringen.
    Sag es ihm jetzt!
    Ich kann nicht, sagte Miriam, sie setzte sich auf den Boden, verbarg ihr Gesicht in den Händen.
    Doch, du kannst!, rief Evren. Sag ihm, dass er ein Agent der Amerikaner ist, und dass du es nicht wusstest!
    Er, das war Martens.
    Denk an Sinan!, sagte Evren. Denk verdammt noch mal jetzt nur an Sinan! Evren fasste sie an den Schultern, schüttelte sie, bleckte die Zähne, weißer Schaum in den Mundwinkeln. Sag es ihm, schrie er, du hast es versprochen!
    Du hast es versprochen. Sie hatten sich also abgesprochen, vorhin da draußen in der Umarmung, es war jämmerlich und unnötig, Martens wusste doch, was er zu tun hatte, er hätte es auch ohne diesen Verrat getan. Er sah zu, wie Miriam sich erbrach, vor Evrens Füße, Evren, der recht hatte, es ging um Sinan, der zu Hause auf sie wartete und für den es bedeutungslos war, auf welchem Weg seine Eltern zu ihm zurückgelangten.
    Dann tut es eben sie!, rief Evren. Er riss Pason am Arm, he’s a spy! He fucked my wife, he’s an infidel, a jew! Tell him that! Tell Dilawar that this man is a jew and a spy!
    Einer der Männer drückte Evren mit dem Gewehrlauf von Pason weg.
    Tell him, rief Evren, or I tell him that you are a girl! You understand? I will tell them that you are a girl if you don’t do what I say.
    Es fiel schwer, sich für einen solchen Kretin ins Feuer zu werfen. Sich zu opfern, damit er zu seinem Sohn zurückkehren konnte. Die Situation war ausweglos, besser einer starb als drei, aber warum eigentlich ich, dachte Martens. Er schwankte in seiner Entschlossenheit. Genügte es nicht, wenn Miriam überlebte und zu Sinan zurückkehrte? Miriam musste überleben, aber nicht notgedrungen auch Evren. Miriam zog Sinan auf, sie sorgte für ihn, sie spielte ihm Jesus bleibet meine Freude vor, sie band ihm morgens die Schuhe und briet ihm Leberkäse.
    Tell him!, schrie Evren. Tell him, you cunt! Er besudelte Pason beim Sprechen mit seiner Spucke, ein sabbernder Hund mit Schaumflocken im Mundwinkel. Martens versetzte Evren einen Stoß, drückte ihn mit ganzem Gewicht gegen die Felswand und presste ihm den Ellbogen unters Kinn.
    Was isst Sinan am liebsten?, fragte Martens.
    Evren schlug ihm die Faust gegen die Brust, es waren klägliche Schläge.
    Was ist die Lieblingsspeise deines Sohns?, fragte Martens. Sag’s mir.
    Sag du’s mir, du weißt es ja bestimmt besser, sagte Evren und spuckte Martens ins Gesicht.
    Die Männer schauten aufmerksam zu. Es passierte nicht viel hier oben in den Bergen. Der Himmel, blau oder grau oder wechselmütig, die Steine bei Regen glänzend, im Sonnenschein stumpf und rau, ab und zu der Steinadler, der sich von unsichtbaren Tieren ernährte. Nie begegnete man einem Tier, nie entdeckte man dessen Spuren. Das nächste Dorf Fußmärsche entfernt, und morgens die Nebel, aus dem Himmel verstoßene Wolken, die sich auf der Erde eine neue Heimat suchten. Aber jetzt hier in diesem Unterschlupf Fremde, die in der

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