Das Licht der Hajeps (German Edition)
fuhren dabei durch die Gitterstäbe des Tragekorbs, um Munk zu kraulen. Schon hatte er einen tiefen Kratzer im Finger.
„Donnerwetter, Munk, du reagierst ja heute ausgesprochen schnell!“ Paul leckte über die Wunde und seine kleinen, braunen Augen suchten dabei nach Julchen. Endlich entdeckte er sie, hinter einem großen Busch versteckt.
„Mensch, Julchen, komm doch da hervor!“ flüsterte er, während er sie umkreiste.
„Nein!“ wisperte sie zurück. „Denn dann gehst du ja!“
Und so lief er ziemlich ungelenk einfach auf Ilona zu, die in einiger Entfernung auf ihn wartete.
Margrit warf einen kurzen Blick auf die junge Frau, die sich scheu aber sichtlich erleichtert bei ihm einhakte.
„Macht’s gut ihr Beiden!“ krächzte sie. „Und seht zu, dass euch die Hajeps nicht erwischen!“
Dann kam der Abschied von dem jungen Elternpaar und auch die Kinder umarmten den kleinen Dieter und sie schluchzten dabei gemeinschaftlich um die Wette, denn niemand von ihnen wusste, ob er den Anderen vielleicht nie wiedersah.
So drückte sich das kleine Häuflein Menschen ängstlich und traurig aneinander, bis es sich, von gegenseitigen Mut machenden Sprüchen unterstützt, unter endlos langem Winken auflöste.
Die einen bogen den Feldweg zur Landstraße Richtung Coburg ein, die anderen blieben noch für eine Weile stehen.
Margrit blickte in jene Richtung, in der Paul verschwunden war, hätte ihn am liebsten zurückgerufen, aber biss sich stattdessen so heftig auf die Lippen, dass sie anfingen zu bluten.
Auch als sich Tobias und Julchen bereits um die Bäume jagten, hatte Margrit ihren Platz noch immer nicht verlassen, schien zu Stein geworden zu sein, den Blick in die Ferne gerichtet.
„Nun komm schon“, sagte Elfriede schließlich. „Das ist ja gar nicht mehr mit anzusehen!“
Dennoch regte sich Margrit nicht. Ihre Augen waren zwar weit geöffnet, aber innerlich schien sie ganz woanders zu sein.
Elfriede schluckte entsetzt und krähte: „Sie sind schon lange weg. Du kannst sie wohl kaum zurückholen!“
Wieder kam keine Reaktion.
„Himmel, dann hasse ihn doch, deinen Paul, verwünsche vor allem diese junge Hexe! Aber komm’ endlich zu dir!“ schluchzte Muttchen.
Da sah sie, dass Margrits Mundwinkel plötzlich zuckten. „Das tue ich ja bereits Muttsch. Das ist ja das Schlimme! Ich schwanke hin und her zwischen Liebe und Hass! Wie konnte er mir das antun? Zwanzig Jahre haben wir in größter Treue zueinander gehalten und plötzlich – AUS! Ich begreife das nicht! So schön war sie doch gar nicht!“
„Das kannst du nicht beurteilen. Du bist kein Mann, Margrit!“
„Ich habe ihn wohl nie wirklich geliebt“, sagte Margrit leise und fügte, noch ehe Elfriede etwas entgegnen konnte, hinzu, „ich meine so richtig selbstlos! Denn sonst müsste ich ihm sein Glück doch gönnen, müsste dazu fähig sein, mit ihm weiterzuziehen und Ilonas Lachen dabei zu ertragen.“
„Da hast du so Unrecht nicht! Vielleicht sind wir Menschen keine guten Lebewesen, denn alles, was wir lieben, wollen wir meist ganz für uns haben und nicht mit anderen teilen!“
„Ist das nicht grässlich? Nun bringe ich vielleicht dich und die Kinder in große Gefahr, weil wir keinen männlichen Schutz haben, nur weil ich so egoistisch bin!“
„Das bist du nicht!“ konterte Elfriede. „Ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast und“, sie trat ganz nahe an ihre Tochter heran, die so viel größer war als sie selbst und legte einen Arm um sie. „Ich weiß auch, wie sehr Liebe weh tun kann. Aber dennoch solltest du froh sein, dass du diese eigennützige Gabe hast.“
Elfriede schluckte den Klos herunter, der ihr im Halse gesessen hatte. „Wissen wir denn, ob unsere außerirdischen Eroberer, die tagtäglich dermaßen grausam mit uns Menschen umgehen, überhaupt nur ein kleines bisschen zu lieben fähig sind?”
Diese Worte, ausgerechnet aus Muttchens Mund, überraschten Margrit. Sie krauste die Stirn, blinzelte.
„Verdammt, du hast ja so Recht!“ Sie machte sich ganz klein, legte ihren Kopf auf Muttchens Schulter und ihr Körper begann zu zucken und zu beben, während sie sich endlich laut und herzzerreißend ausweinte.
Kapitel 21
Worgulmpf war entsetzt. Hatte er richtig gehört? Dummerweise hatten er und seine Freunde genau zu jenem Gehöft gewollt, das in der Nähe der großen Stadt lag. Doch aus Vorsicht war er mit seiner Meute nicht gleich zu dem stattlichen Fachwerkhaus, welches von einem hübschen Gärtchen
Weitere Kostenlose Bücher