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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hörte er das leise Rascheln von uraltem Papier. Voller Unbehagen dachte er daran, daß sich seine Träume von jetzt an häufig wiederholen könnten. Er entschied, daß es wichtigere Dinge gab, als einigen Zaubersprüchen zuzuhören, die sich nicht einmal über den Beginn des Universums einigen konnten…
    In der Hinterkammer seines Hirns flüsterte eine leise und trockene Stimme: Was für Dinge?
»Ach, sei still«, sagte Rincewind laut.
    »Ich sagte doch nur, daß es ziemlich kalt ist und…«, begann Zweiblum. »Ich meinte nicht dich, sondern mich.«
    »Was?«
    »Ach, sei still«, brummte Rincewind und seufzte. »Ob wir hier irgendwo was zu essen finden?«
    Die großen Steine zeichneten sich als dunkle und bedrohlich wirkende Schatten vor dem grünen Licht der untergehenden Sonne ab. Im Innenkreis wimmelte es von Druiden, die im flackernden Schein mehrerer Feuer hin und her eilten und die notwendigen Peripheriekomponenten eines granitenen Computers justierten – zum Beispiel Widderschädel auf hohen Pfählen, geschmückt mit Mistelzweigen, Fahnen, die Knochenund Schlangensymbole auswiesen, und dergleichen mehr. Jenseits des Feuerscheins warteten Dutzende von Bewohnern der Ebene: Druidenfeiern waren sehr beliebt, vor allen Dingen deswegen, weil meistens etwas schiefging.
Rincewind sah sich um.
»Was geht hier eigentlich vor?«
    »Oh«, machte Zweiblum begeistert, »offenbar treffen die Druiden Vorbereitungen für ein jahrtausendealtes Ritual, mit dem die Wiedergeburt des Mondes – oder vielleicht auch die der Sonne – zelebriert werden soll. Allem Anschein nach handelt es sich um eine sehr ernste, erhabene und hochheilige Feier, mit einem guten Schuß stiller Ehrfurcht.«
    Rincewind schauderte. Er begann sich immer Sorgen zu machen, wenn Zweiblum solche Formulierungen wählte. Wenigstens hatte er bisher darauf verzichtet, Ausdrücke wie ›malerisch‹ oder ›kurios‹ zu verwenden. Es war dem Zauberer noch nicht gelungen, ein angemessenes Synonym für derartige Zustände zu finden. Er begnügte sich mit dem Wort ›Schwierigkeiten‹.
    »Ich wünschte, der Koffer wäre hier«, sagte der Tourist in bedauerndem Tonfall. »Ich könnte meinen Bildkasten gebrauchen. Bestimmt steht uns ein sehr malerisches und kurioses Ereignis bevor.«
    Ein aufgeregtes Murmeln ging durch die Reihen der Zuschauer: Wahrscheinlich stand der Beginn der Zeremonie unmittelbar bevor. »Hör mal«, sagte Rincewind nervös. »Druiden sind Priester. Das darfst du nicht vergessen. Hüte dich davor, sie zu verärgern.«
    »Aber…«
    »Beleidige niemanden, indem du vorschlägst, einen der Felsen zu kaufen.«
    »Aber ich…«
    »Und red bloß nicht von kurioser einheimischer Folklore.«
    »Ich dachte…«
    »Und biete ihnen auf keinen Fall eine Versicherung an. Die Druiden hassen nichts mehr.«
    »Aber es sind Priester!« wandte Zweiblum ein. Rincewind runzelte die Stirn.
»Ja«, sagte er. »Das erklärt alles, nicht wahr?«
Auf der gegenüberliegenden Seite des Außenkreises bildete sich eine Art Prozession.
    »Priester sind freundlich und gutmütig«, behauptete Zweiblum. »In meiner Heimat wandern sie mit Bettelnäpfen umher.« Er fügte hinzu: »Das ist ihr einziger Besitz.«
    »Aha«, sagte Rincewind und wußte nicht so recht, ob er den Touristen verstand. »Damit sammeln sie Blut, nicht wahr?«
    »Blut?«
    »Ja. Von Opfern.« Rincewind dachte an die Priester in seiner Heimat. Natürlich hielt er es für wichtig, sich auch unter den Göttern keine Feinde zu machen, und aus diesem Grund hatte er häufig die Tempel besucht und dort an vielen Ritualen teilgenommen. Wenn er seine Erfahrungen in wenigen Worten zusammenfaßte, so liefen sie auf folgendes hinaus: In der Region des Runden Meeres traf die Bezeichnung ›Priester‹ in erster Linie auf Leute zu, die einen großen Teil ihrer Zeit damit verbrachten, bis zu den Achseln blutverschmiert zu sein.
    Zweiblum starrte ihn entsetzt an.
    »O nein«, entfuhr es ihm. »Bei mir zu Hause sind Priester heilige Männer, die sich einem Leben in Armut widmen, hart arbeiten und über die Natur Gottes philosophieren.«
    Rincewind versuchte, sich mit einem derart exotischen Konzept anzufreunden.
    »Keine Opfer?« fragte er zaghaft.
»Nein, absolut keine.«
Der Zauberer gab auf. »Nun«, sagte er. »ich halte solche Leute nicht für besonders heilig.«
    Einige aus Bronze bestehende Trompeten tröteten, und Rincewind drehte sich um. Mehrere Druiden marschierten langsam und würdevoll an den Felsen vorbei;

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