Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
mich ebenfalls nicht bemerkte, als sei ich ein Geist, bis ich schließlich vor dem Zelt des Mannes stand, der den Söldnerhaufen befehligt hatte.
Niemand hinderte mich daran, einzutreten.
Der Anführer der Söldner saß an einem niedrigen Holztisch und ließ sich seine Mahlzeit schmecken. Wahrscheinlich stammten das fette Huhn und das knusprige Ferkel aus dem Dorf, das dem Krieg im Weg gestanden hatte. Seelenruhig schob er einen Happen nach dem anderen in sich hinein.
In meinem Innern stieg Zorn auf. Ich straffte mich und trat direkt vor den Mann, der noch einen Moment weiterschmatzte, ehe er plötzlich innehielt.
Mein Atem brachte die Kerze auf seiner Tafel zum Flackern, und als er aufsah, blickte er mir direkt in die Augen. In zwei Augen, die sich anfühlten, als würden sie brennen.
»Gott helfe uns!«, rief er aus und wich zurück.
Ich verspürte eine tiefe Genugtuung, da er sich vor mir fürchtete. Nach all dem Leid, das er und seine Kameraden über das Dorf gebracht hatten, hatten sie Furcht verdient.
Und den Tod.
Ich streckte eine Hand nach ihm aus und ergriff seine feiste Kehle. Meine Fingernägel, lang und schwarz, bohrten sich in das Fleisch …
5. Kapitel
N ach Luft schnappend schreckte ich hoch. Schweiß perlte über meine Stirn, mein Herz raste wie im Fieber. Es dauerte eine Weile, bis mir klarwurde, dass ich mich nicht mehr auf dem Schlachtfeld befand und dass es inzwischen dunkel war.
Ich hatte den halben Tag verschlafen.
Stöhnend rieb ich mir die Augen, dann erhob ich mich. Mein Shirt und meine Haare klebten unangenehm feucht an meiner Haut.
Wann hörte das endlich mal auf! Konnte ich nicht wie alle jungen Mädchen von Strandurlaub oder anderen normalen Dingen träumen? Warum hatte ich immer solche bizarren Träume von Blut, Trauer und Tod? Wenn ich mir ständig Horrorfilme anschauen würde, könnte ich das verstehen, aber um solche Streifen machte ich einen großen Bogen.
Das Summen meines Handys ließ mich zusammenzucken. Wo waren meine guten Nerven geblieben? Früher war ich doch auch nicht so zart besaitet.
Das Display zeigte fünf Nachrichten von Thomas an, die er im Stundentakt verschickt hatte. Wahrscheinlich hatte er angenommen, dass sie nicht angekommen waren. Nacheinander öffnete ich sie, doch die SMS war immer dieselbe: »Wie geht es dir? Was machst du gerade?«
Weil sich mein Mund trocken und pelzig anfühlte, holte ich mir eine Cola aus dem Vorratsschrank, dann schnappte ich mir wieder das Handy. Wenn ich Thomas nicht antwortete, würde er sicher früher oder später hier aufkreuzen, an der Tür Sturm klingeln und das gesamte Wohnheim aufwecken.
Ich hatte meine Nachricht gerade verschickt, als ich ein dumpfes Grollen hörte. Zunächst nur ganz leise, wie ein heraufziehendes Gewitter oder ein nahendes Flugzeug. Als ich mich dem Fenster zuwandte, erblickte ich aber nur den Mond, der durch das kahle Baumgeäst schien.
Plötzlich schoss ein riesiger geflügelter Schatten auf mein Fenster zu. Instinktiv sprang ich zurück und hielt die Hände vor den Mund.
Sekunden später durchschlugen Klauen die Scheibe, Splitter flogen mir um die Ohren, dann landete etwas auf meinem Schreibtisch.
Mein Herz setzte für einen Moment aus, während ich panisch nach Luft schnappte und entsetzt auf das … Ding starrte.
Es hatte Flügel, aber dieses Vieh war auf keinen Fall ein Vogel!
Seine messerscharfen Krallen waren überdimensional lang, die Flügelspanne war größer als mein gesamter Körper, und seine kahle Brust ähnelte der eines Menschen.
Sein Kopf war zur Hälfte menschlich, zumindest bis zu den Augen. Anstelle von Mund und Nase hatte es einen langen, gebogenen Schnabel, und als es ihn aufriss, um einen ohrenbetäubenden Schrei auszustoßen, erkannte ich jede Menge scharfe Zähne.
Ein Vogel mit Zähnen? Was zum Teufel war dieses Ding?
Egal, ich musste weg von hier!
Als ich herumwirbelte, hörte ich ein hässliches Kreischen. Dann ein zweites, drittes und viertes.
Noch mehr dieser Viecher? Ich sah mich nicht um, doch ich war sicher, dass weitere Kreaturen durch mein Fenster stürzten.
Was hatte ich nur getan? Was geschah hier?
Nach wenigen Schritten, meine Finger schlossen sich gerade um die Türklinke, stürzte sich das erste Wesen auf mich. Seine Krallen bohrten sich in meine Hüfte, sein Schnabel verfehlte haarscharf meinen Kopf und bohrte sich vor mir in die Tür, während ich zu Boden ging. Splitter flogen mir um die Ohren, als sein Kopf wütend kreischend
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