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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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schenkte sich einen Becher ein.
    »Waren wir uns nicht einig«, begann er, mit der Flasche auf Rojer deutend, »dass die Leute weniger geneigt wären, dich anzuheuern, wenn sie von deiner Behinderung wüssten?«
    »Wir haben niemals über dieses Thema diskutiert«, widersprach Rojer. »Eines Tages hast du mir einfach diese Handschuhe gegeben und mir befohlen, sie zu tragen.«
    Arrick gluckste. »Es tut mir leid, wenn ich dir deine Illusionen raube, Junge, aber so läuft das nun mal zwischen Meister und Lehrling. Niemand will einen verkrüppelten Jongleur sehen.«
    »Ist das alles, was ich bin?«, fragte Rojer. »Ein Krüppel?«
    »Natürlich nicht«, wiegelte Arrick ab. »Ich würde dich gegen keinen anderen Lehrling in Angiers eintauschen. Aber nicht jeder wird deine Dämonennarben übersehen und den Menschen in dir entdecken. Die Leute werden dir irgendeinen Spottnamen verpassen, und dann lachen sie über dich, und nicht über die Witze, die du erzählst.«
    »Das kümmert mich nicht«, behauptete Rojer. »Mit den Handschuhen komme ich mir vor wie ein Betrüger, und die falschen Finger machen meine Hand noch unbeholfener, als sie ohnehin schon ist. Was macht es schon aus, wenn die Leute mich auslachen? Hauptsache, sie kommen und bezahlen dafür, dass sie die Gelegenheit bekommen, mich zu hänseln.«

    Arrick sah ihn eine geraume Zeit lang an, während er mit den Fingerspitzen gegen seinen Becher trommelte. »Lass mich die Handschuhe mal sehen«, bat er schließlich.
    Sie waren schwarz und reichten bis zur Hälfte der Unterarme. Die Stulpen bestanden aus knallbunten Stoffdreiecken, an denen Schellen befestigt waren. Stirnrunzelnd warf Rojer seinem Meister die Handschuhe zu.
    Arrick fing sie auf, betrachtete sie flüchtig und schmiss sie aus dem Fenster. Dann rieb er sich die Hände, als seien sie durch die Berührung der Handschuhe schmutzig geworden.
    »Steig in deine Stiefel und lass uns gehen«, befahl er und kippte den Rest des Weins hinunter.
    »Die Stiefel mag ich im Grunde auch nicht«, wagte sich Rojer vor.
    Arrick lächelte ihn an. »Treib es nicht zu weit«, warnte er ihn mit einem verschmitzten Augenzwinkern.

    Das Gesetz der Gilde erlaubte es lizensierten Jongleuren, an jeder beliebigen Straßenecke eine Vorstellung zu geben, solange sie nicht den Verkehr behinderten oder den Handel störten. Einige Geschäftsleute engagierten sogar Jongleure, um die Aufmerksamkeit der Passanten auf ihre Verkaufsstände zu lenken, und Wirtshausbesitzer wollten mit ihren Auftritten in Schankstuben Gäste ködern.
    Arricks Trunksucht hatte ihn bei vielen dieser Gastwirte unbeliebt gemacht, deshalb mussten sie ihre Vorstellungen auf der Straße geben. Da Arrick morgens nicht aus dem Bett gekommen war, waren die besten Plätze bereits von anderen Jongleuren besetzt. Der Ort, den sie dann fanden, lag alles andere
als günstig, eine Ecke an einer Seitengasse, weitab von den Straßen, in denen die größte Betriebsamkeit herrschte.
    »Der Platz muss uns genügen«, brummte Arrick. »Trommle ein paar Zuschauer zusammen, Junge, während ich alles für den Auftritt vorbereite.«
    Rojer nickte und sauste los. Wann immer er auf ein Grüppchen von Leuten stieß, die als mögliche Zuschauer in Frage kamen, schlug er vor ihnen Rad oder lief auf den Händen, wobei die in seine bunte Kleidung eingenähten Schellen einladend klingelten.
    »Ein Jongleurauftritt!«, rief er. »Kommt und seht den berühmten Arrick! Hört die Honigstimme!«
    Durch seine akrobatischen Kunststücke, und weil der Name seines Meisters immer noch Publikum anzog, erregte er eine gewisse Aufmerksamkeit. Manche Passanten begleiteten ihn sogar auf seinen Runden, klatschten Beifall und lachten über seine Possen.
    Ein Mann brüllte seiner Frau zu: »Schau mal, das ist doch der verkrüppelte Junge vom Kleinen Platz!«
    »Bist du sicher?«, fragte sie.
    »Na klar! Du brauchst doch nur seine Hand anzusehen!«
    Rojer gab vor, die Bemerkung nicht zu hören, und suchte weiter nach eventuellen Zuschauern. Bald lotste er sein kleines Gefolge zu seinem Meister. Er traf Arrick dabei an, wie der ganz locker mit einem Metzgermesser, einem Küchenspalter, einer Handaxt, einem kleinen Schemel und einem Pfeil jonglierte und eine ständig wachsende Schar seines eigenen Publikums durch Scherze unterhielt.
    »Und hier kommt mein Assistent«, verkündete Arrick der Menge, »Rojer Achtfinger!«
    Rojer stürmte bereits nach vorn, als er sich vergegenwärtigte, wie sein Meister ihn soeben

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