Das Lied der Maori
wenn sie das nicht schaffte, so wenigstens Inger oder gleich Daphne. Der fiel bestimmt etwas ein, ihre Nächte erträglicher zu machen.
Thomas blockte allerdings konsequent ab. Er wollte nicht nach Queenstown – und inzwischen hegte Elaine sogar den Verdacht, dass er ihre Post kontrollierte. Nachdem sie eines Tages in völliger Verzweiflung ein paar Andeutungen über ihre Langeweile, die Abgeschlossenheit im Haus und die Unannehmlichkeiten der Nächte in einen Brief an ihre Mutter einflocht, fiel Thomas mit schrecklicher Wildheit über sie her. Er würde ihr die Langeweile schon austreiben, erklärte er, obwohl sie sich gar nicht beklagt hatte. Elaine hatte Grund zur Annahme, dass Fleurette ihren Brief nie erhielt.
Deshalb konnte sie nur hoffen, dass ihre Eltern vielleicht einmal von selbst auf den Gedanken kämen, sie zu besuchen – aber das war schwierig, wie sie wusste. Das florierende Geschäft in Queenstown machte zumindest Ruben praktisch unabkömmlich, und Fleurette allein würde kaum so weit reisen und sich unter das Dach ihres alten Feindes Sideblossom begeben, wenn kein zwingender Grund dazu bestand. Doch einen solchen anzugeben erlaubte Thomas’ Kontrolle ja nicht.
Manchmal dachte Elaine, dass auch hier eine Schwangerschaft helfen könnte. Spätestens zur Geburt oder zur Taufe würden ihre Eltern kommen. Aber alles in ihr wehrte sich, noch ein weiteres Leben in diese Hölle zu gebären, ganz abgesehen davon, dass ein Baby sie gänzlich und ohne jede Hoffnung auf Entkommen an Lionel Station fesseln würde. So machte sie weiter wie bisher und hoffte auf ein Wunder. Das geschah natürlich nicht, aber immerhin kam, fast ein Jahr nach ihrer Hochzeit, Patrick O’Mally.
Der junge Ire lenkte wieder mal ein schweres Gespann, ursprünglich beladen mit Waren für Wanaka.
Jetzt war der Wagen allerdings leer, und eine Schimmelstute folgte ihm in stolzem Trab.
»Ich dachte, wenn ich schon hier bin, schaue ich bei Ihnen vorbei, Miss Lainie, und bringe Ihnen Banshee. Ist doch eine Schande, dass sie nur rumsteht, und Sie haben hier kein Pferd. Der kleine Hengst ist längst abgesetzt und entwickelt sich prächtig, soll ich bestellen. Ach ja, und Ihre Mutter meint, Sie sollten öfter schreiben – und nicht nur so nichtssagende Briefe. Sie macht sich fast ein bisschen Sorgen. Andererseits sind keine Nachrichten ja meistens gute Nachrichten, nicht wahr?« Patrick schaute Elaine forschend an. »Stimmt’s, Miss Lainie?«
Elaine sah sich furchtsam um. Bislang waren nur Arama und Pita in der Nähe, die sich um die Pferde kümmerten. Pita hatte sie eben gerufen, als Patrick eintraf. Aber Thomas war nicht weit weg; er beaufsichtigte irgendwelche Arbeiten bei den Mutterschafen und würde zweifellos herbeigestürmt kommen, sobald er von Patricks Ankunft hörte. Der junge Fuhrmann schien das zu ahnen und hatte gar nicht erst abgeschirrt. Er wollte sich gleich auf den Rückweg machen, bevor ein möglicher Streit mit Sideblossom eskalierte. Aber noch war Elaine mit ihm allein – und er stellte bohrende Fragen. Elaine überlegte, ob man ihr das Unglück wohl ansah; sie wusste, dass sie abgenommen hatte und ihr Gesicht oft verweint und teigig wirkte. Und jetzt hätte sie etwas sagen können. Patrick schien nur auf ein Geständnis zu warten. Aber sie konnte sich doch unmöglich diesem jungen Burschen anvertrauen! Schon vor Scham hätte sie kein Wort herausgebracht. Vielleicht schaffte sie ja wenigstens ein paar Andeutungen ...
»Schon, aber ... Ich langweile mich oft im Haus ...« Sie druckste herum.
»Warum bleiben Sie denn im Haus?«, fragte Patrick. »Ihre Mutter meint, Sie hätten hier bestimmt schon die ganze Schafzucht unter sich, wie Ihre Großmutter auf Kiward Station. Und dieser kleine Hund muss doch was zu tun kriegen!« Patrick streichelte Callie.
Elaine wurde rot. »Schön wär’s. Aber mein Mann will nicht, dass ...«
»Was will dein Mann nicht?« Thomas dröhnende Stimme unterbrach Elaines Gestammel. Auf seinem Rappen war er wie aus dem Nichts aufgetaucht und erhob sich nun wie ein strafender Gott vor Elaine und dem jungen Patrick. Pita und Arama verschwanden sofort in den Ställen.
»Dass ich bei den Schafen helfe ...«, flüsterte Elaine. Thomas würde ihr diese harmlose Erklärung zwar sowieso nicht glauben, aber wenn Patrick nicht blind und taub war, musste er bemerken, was hier vorging.
»Ach ja. Und vielleicht will dein Mann auch nicht, dass du hier mit Laufburschen herumtändelst! Dich kenne ich
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