Das Lied der Maori
diesem Bett zu schlafen!«, erklärte sie vergnügt und stellte den Wein auf dem Nachttisch ab. »Weißt du noch, wie wir es ausgesucht haben? Ich glaube, damals habe ich mich in dich verliebt. Wir hatten den gleichen Geschmack, die gleichen Vorstellungen ... eigentlich sind das hier unsere Zimmer, William. Wir sollten sie endlich zusammen in Besitz nehmen.«
William gefiel das nicht wirklich. Erstens hatte er zwar sehr konkrete Erinnerungen an dieses Bett, aber die betrafen weniger seine Auswahl als die Wonnen, die Kura ihm darin bereitet hatte. Nun mit Heather in diesem Bett zu schlafen erschien ihm beinahe wie eine Entweihung. Und schlimmer noch, er hatte das Gefühl, seinen Ehebruch damit erst vollkommen zu machen. Bisher hatte er sein Verhältnis zu Heather einfach mit Kuras Rückzug entschuldigt. Aber jetzt – es erschien ihm nicht richtig, in ihre Privaträume einzudringen.
Heather aber lachte nur und entkorkte den Wein.
»Gibt es keine Gläser hier?«, fragte sie ungläubig. »Habt ihr beide nie ...«, sie kicherte, »... eine kleine Ermutigung gebraucht?«
William hätte antworten können, dass er nie auch nur daran hatte denken müssen, Kura mit Wein zu enthemmen. Aber dann holte er doch gehorsam Gläser. Was nutzte es, Heather zu erzürnen.
Immerhin machte er noch einen Versuch zum Rückzug.
»Heather, wir sollten hier wirklich nicht ... ich meine, wenn jemand kommt ...«
»Nun sei doch kein Feigling!« Heather reichte ihm sein Glas und nahm selbst einen ersten Schluck. Der Wein war hervorragend. »Wer soll schon kommen? Miss Gwyn und Mr. James sind im Stall, und Jack ist fort ...«
»Das Baby könnte schreien«, meinte William. Das hätten sie in diesem Teil des Hauses allerdings gar nicht gehört.
»Das Baby schläft bei Miss Gwyn. Ich habe selbst gehört, dass sie gesagt hat, sie nähme es zu sich. Also lass diesen Unsinn, Will, und komm ins Bett!«
Heather zog sich aus, was sie eigentlich nicht gern tat, während das Licht noch hell leuchtete. In ihrem Zimmer pflegte sie allenfalls eine Kerze zu entzünden, wenn sie sich liebten, und William war das durchaus recht, denn noch immer träumte er von Kura, während er Heathers Körper liebkoste. Hier aber ließ sie die Gaslampen brennen; sie schien sich an den selbst gestalteten Räumen nicht sattsehen zu können.
William wusste nicht, was er noch einwenden sollte. Er nahm einen tiefen Schluck von seinem Wein. Vielleicht half der ihm ja, Kuras Schatten in diesen Zimmern zu vergessen.
Das Pferd im Stall hatte eine Kolik, und Gwyneira und James verbrachten lange Zeit damit, ihm ein Abführmittel einzuflößen, den Bauch zu massieren und es herumzuführen, um die Darmtätigkeit in Gang zu bringen. Nach mehr als einer Stunde – das Schlimmste war inzwischen vorüber – fiel Gwyneira dann siedend heiß ein, dass sich im Haus niemand um Gloria kümmerte. Gewöhnlich konnte sie sich da ganz auf Jack verlassen, aber William oder Miss Heather dachten bestimmt nicht daran, das Kind im Auge zu behalten, und Moana und Kiri waren schon gegangen, bevor die McKenzies in den Stall gerufen wurden.
Gwyn überließ James und dem jungen Viehhüter also die weitere Versorgung der Stute und lief ins Haus, um nach Gloria zu sehen. Die Kleine war inzwischen fast ein Jahr alt und schlief meistens durch, aber vielleicht vermisste sie Jack ja auch schon und war deshalb unruhig. Tatsächlich war sie wach, als Gwyneira an ihr Bettchen trat, aber sie schrie nicht, sondern murmelte nur vor sich hin, als führe sie Selbstgespräche. Gwyneira lachte und nahm sie auf.
»Na, was erzählst du denn deinem Püppchen?«, fragte sie freundlich und hielt Gloria das Spielzeug hin. »Wilde Geschichten von Walfischen, die unseren Jack auffressen?« Sie wiegte das Baby und erfreute sich an seinem anschmiegsamen Körper und seinem Geruch. Gloria war ein freundliches, unproblematisches Kind. Gwyn erinnerte sich daran, dass Kura sehr viel mehr geschrien hatte, obwohl Marama sie ständig bei sich trug, während Gloria fast zu oft allein war. Kura war immer anspruchsvoll gewesen. Und schon als Baby außergewöhnlich hübsch. Das hatte sie Gloria nicht vererbt; das Kind war niedlich, aber nicht so hinreißend wie seine Mutter im gleichen Alter. Gloria hatte porzellanblaue Augen, und inzwischen war es ziemlich sicher, dass sie diese Farbe behalten würden. Ihr noch spärliches Haar schien sich aber noch nicht recht entscheiden zu können, ob es dunkelblond oder hellbraun werden wollte.
Weitere Kostenlose Bücher