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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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mehr sehen. Beide!«
    Damit rauschte sie davon und überließ das gedemütigte Paar sich selbst. Gwyneira musste jetzt noch in ihr Kontor und das Geld für Heather abzählen. Und dann brauchte sie einen Whisky!
     
    James kam aus dem Stall, müde und durchgefroren, als Gwyn sich gerade ein Glas eingeschenkt hatte. Gloria schlief, den Daumen im Mund, in einer Sofaecke.
    James warf seiner Frau einen erstaunten Blick zu.
    »Betäubst du das Kind mit Schnaps?«, fragte er grinsend.
    Gwyneira schenkte ihm ebenfalls ein Glas ein und wandte ihm ihr blasses Gesicht zu. »Ich betäube eher mich selbst. Hier, nimm, du wirst gleich auch einen brauchen!«
     
    Heather Witherspoon wartete, übernächtigt und kreidebleich, vor den Ställen auf William. Er kam gegen sechs Uhr morgens, seine Satteltaschen gepackt, und warf einen erstaunten Blick auf die junge Frau und ihr Gepäck.
    »Was machst du denn hier?«, fragte er unfreundlich. »Wär’s nicht besser, dich damit an die Straße nach Haldon zu stellen? Da kommt heute garantiert noch jemand vorbei, und wenn du Glück hast, fährt er sogar nach Christchurch.«
    Heather blickte ihn ungläubig an. »Wir ... wir gehen nicht zusammen?«
    William runzelte die Stirn. »Zusammen? Sei nicht albern, wie sollte mein Pferd denn all diese Sachen schleppen?«
    In Heathers Augen schimmerten Tränen. »Du könntest dir doch eine Chaise leihen. Wir ...«
    William spürte, wie Zorn in ihm aufwallte.
    »Heather, es gibt kein ›wir‹! Ich habe immer versucht, dir das klarzumachen, aber anscheinend wolltest du es nicht verstehen. Ich bin verheiratet, und ich liebe meine Frau ...«
    »Sie hat dich verlassen!«, rief Heather.
    »Ich hätte ihr gleich hinterherreiten sollen. Natürlich gab es Differenzen, aber das mit uns ... das war ein Fehler. Wir sollten es nicht noch schlimmer machen. Kann ich dir helfen, das Gepäck zur Straße zu tragen?« William legte seine Satteltaschen ab und griff nach ihrem Koffer.
    Heather funkelte ihn an. »Das schaffe ich auch allein, du ...« Sie wollte schimpfen, schreien, fluchen, aber man hatte ihr von klein an eingeschärft, dass eine Dame so etwas nicht tat, und so fand sie jetzt nicht einmal Worte, ihrer Wut Luft zu machen.
    Heather redete sich ein, dass sie damit zumindest ihre Würde wahrte. Sie zerbiss ihre Lippe, weinte aber nicht, als sie die Sachen auf den Weg schleppte.
    »Viel Glück, William«, brachte sie sogar noch heraus. »Ich hoffe, du findest deine Kura und wirst glücklich!«
    William erwiderte nichts. Als er eine halbe Stunde später an die Weggabelung nach Haldon und Christchurch gelangte, war Heather verschwunden.
     

4
    In den nächsten Monaten lernte William eine Menge über Schafe, Rinder und Goldwaschen, am meisten allerdings über sich selbst.
    Seine Suche nach einer Arbeit, die ihm gerecht wurde und genügend Geld einbrachte, dass er sein Leben fristen konnte, führte ihn über die gesamte Südinsel und beinahe darüber hinaus. Denn zunächst verfolgte er tatsächlich das Ziel, Kura wiederzufinden. Doch das Opernensemble war längst in Australien, und William fehlte das Geld für die Überfahrt – ganz abgesehen davon, dass er keinen genauen Tourneeplan besaß und Kura in dem riesigen Land folglich niemals gefunden hätte. So tröstete er sich mit dem Wissen, dass die Sänger irgendwann zurückkommen würden. George Greenwood erhielt Sonderkonditionen für Schiffsreisen von Christchurch nach London, sodass die Stadt auf der Südinsel Anfangs- und Endpunkt der Tournee des Ensembles bildete. Auch ein paar weitere Städte auf der Südinsel würden die Sänger noch besuchen. William musste also ein paar Wochen überbrücken.
    Das allerdings erwies sich als nicht ganz einfach, zumal sein Stolz ihm untersagte, in der Umgebung von Kiward Station nach Arbeit zu fragen. Bislang kannten die Schafbarone ihn hier schließlich als Gleichgestellten. Nicht auszudenken, dass er jetzt als Viehtreiber bei ihnen anheuerte! So lenkte er die Schritte seines Pferdes erst einmal in Richtung Otago und zu den Schaffarmen im Bereich der McKenzie Highlands. Arbeit gab es hier immer, doch William blieb nirgends lange. Es war, wie er schon auf Kiward Station vermutet hatte: Der direkte Umgang mit den Tieren lag ihm nicht, und Verwalteraufgaben erledigten die Besitzer der Farmen selbst oder vertrauten sie lang gedienten Arbeitern an. Außerdem behagten William die Unterkünfte der Viehtreiber nicht; er hasste Übernachtungen unter freiem Himmel, und die rauen

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