Das Lied der Maori
herausgefunden, nachdem Sie mit ihm in den Canterbury Plains festsaßen.«
Inger drückte sich deutlicher aus, wenngleich sie Elaine natürlich auch nicht an allen Einzelheiten ihrer Erfahrungen mit John Sideblossom teilhaben ließ.
»Daphne hat ihn nur an die erfahrenen Mädchen rangelassen. Das gab immer wieder Diskussionen. Er wollte nur die ganz jungen, und teilweise wollten wir das auch, weil es ... nun ja, für solche Männer gab es immer Extrageld und oft ein paar Tage frei. Aber Daphne hat nur einmal nachgegeben, weil Susan das Geld wirklich ganz dringend brauchte.«
Inger wies ein wenig verschämt auf ihren Unterleib, eine Geste, die Elaine allerdings nicht zu deuten wusste.
»Danach ...«, verwundert sah Elaine ihre Freundin zum ersten Mal rot werden, »... danach konnte sie es dann für etwas anderes ausgeben. Die ... Frucht hat die Nacht nicht überstanden. Aber Susan war ziemlich ... also, es ging ihr nicht gut. Miss Daphne hat den Arzt holen müssen. Und dann lief sie immer gleich weg, wenn Mr. John kam. Sie konnte ihn nicht mehr sehen.«
Elaine fand das alles befremdlich. Was für eine »Frucht« hatte Mr. Sideblossom da zerstört? Aber sie wollte ja ohnehin nichts von Mr. John hören, sondern sich nur über Thomas austauschen. Minutiös beschrieb sie der Freundin, wie sie die Zeit mit ihm verbrachte. Und was das anging, hatte Inger nichts zu bemängeln – wenn sie etwas besorgniserregend fand, dann war es eher Thomas’ extrem zurückhaltendes Verhalten.
»Seltsam, dass er nie versucht, dich zu küssen«, meinte sie nach einer enervierend langen Schilderung eines Ausrittes, bei dem Elaine und Thomas wieder nur Blicke getauscht hatten.
Elaine zuckte die Schultern. Sie durfte auf keinen Fall zugeben, dass ihr gerade Thomas’ Zurückhaltung so sehr gefiel. Seit der Sache mit William ängstigte sie sich vor Berührungen. Sie wollte nicht, dass wieder etwas in ihr erweckt wurde, das dann keine Erfüllung fand. »Er ist eben ein echter Gentleman. Er will mir Zeit lassen, und manchmal glaube ich, er hat ernste Absichten.« Sie errötete leicht.
Inger lachte. »Das wollen wir doch hoffen! Wenn die Kerle keine ernsten Absichten haben, kommen sie schneller zur Sache! Geschont werden bestenfalls Ladys ...«
Thomas schwankte nach wie vor. Einerseits stahl Elaine sich immer häufiger in seine Träume, und natürlich war sie auch eine passende Braut. Andererseits fühlte er sich beinahe treulos – ein völlig unsinniges Gefühl, schließlich hatte er Emere nie angerührt. Sie hätte es niemals geduldet, nicht einmal, als er ein kleiner Junge war, der sich nach unschuldigen Zärtlichkeiten sehnte. Doch es war beinahe so, als würde sich ein Fenster schließen, eine Ära zu Ende gehen, wenn er jetzt ernsthaft um Elaine warb und sie schließlich mit nach Lionel Station brachte. Thomas konnte sich nicht entscheiden – aber bald würde er es müssen, denn John Sideblossom drängte. Er war mit der Wahl seines Sohnes zwar mehr als einverstanden und freute sich bereits diebisch darauf, auf Thomas’ und Elaines Hochzeit mit Fleurette O’Keefe zu tanzen. Allerdings wollte er jetzt auf seine Farm zurückkehren. Queenstown war für ihn ausgereizt; er hatte alle Geschäfte getätigt und jede Hure besucht, an die Daphne ihn heranließ. Inzwischen verlangte es ihn wieder nach Zoé, seiner jungen Frau, und den Aufgaben auf dem Hof. Bald wurde es auch Zeit für den Abtrieb der Schafe, und spätestens dann brauchte er Thomas. Die Idee, ihn allein in Queenstown zu lassen, damit er sein Werben in Ruhe fortführen konnte, verwarf er daher sofort.
»Und mit welcher Begründung wolltest du auch hierbleiben?«, fragte er seinen Sohn. »Ein Sideblossom, der an der Schwelle einer Frau herumhängt wie ein Rüde vor dem Haus einer läufigen Hündin? Mach endlich Nägel mit Köpfen! Frag das Mädchen und dann ihren Vater. Besser wär’s umgekehrt, aber das tut man ja heute nicht mehr. Und die Kleine frisst dir doch wohl aus der Hand, oder?«
Thomas grinste. »Die Kleine ist reif zum Pflücken ... obwohl ich nicht weiß, was sie sich darunter vorstellt. Viel kann dieser William Martyn ihr nicht beigebracht haben, so schüchtern, wie sie ist. Wie konnte ich je daran zweifeln, dass sie Jungfrau ist! Sie zuckt schon zusammen, wenn ich sie versehentlich berühre. Wie lange gibst du mir?«
Sideblossom verdrehte die Augen. »Wenn du sie erst im Bett hast, drei Minuten. Ansonsten ... In spätestens einer Woche will ich
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