Das Lied der Maori
romantisch sein, und Elaine freute sich auch darauf. Aber ein bisschen traurig war sie doch, dass sie Banshee nicht mit nach Lionel Station nehmen sollte. Die Stute führte ein Fohlen. Sie hatte einige Monate zuvor einen prächtigen kleinen Hengst zur Welt gebracht. Der niedliche Rappe war stämmig und kerngesund; an sich hätte er die Strecke nach Lionel Station problemlos neben seiner Mutter herlaufen können. Thomas meinte jedoch, das würde die Reise aufhalten, denn die Stute käme nicht schnell genug vorwärts. Elaine sah das eigentlich nicht ein, da die Gesellschaft ohnehin nicht schnell reisen würde. Ruben schickte einen Frachtwagen mit ihrer Mitgift und ein paar weiteren Einkäufen der Sideblossoms mit nach Lionel Station, und Zoé reiste in einer Kutsche. Bei den weitgehend unbefestigten Wegen zwischen Queenstown und der Farm hielt das eigentlich mehr auf als ein mitlaufendes, kräftiges Cob-Fohlen. Thomas bestand allerdings auf seiner Meinung, und Elaine gab klein bei. John Sideblossom konnte ihr die Stute bei seinem nächsten Aufenthalt in Queenstown mitbringen. Am kommenden Tag würde sie Zoé in ihrer komfortablen Chaise Gesellschaft leisten.
Elaine verabschiedete sich bei niemandem, nur Inger lächelte ihr aufmunternd zu, als Thomas sie zu dem blumenumkränzten Boot führte. Die Fahrt den Fluss hinunter war dann auch wirklich sehr romantisch – zumal man auf Nugget Manor nun tatsächlich das Feuerwerk zündete. Elaine genoss die bunten Lichtkaskaden und den Sternenregen über den dunklen Bäumen und konnte sich kaum zurückhalten, von der Schönheit der sich im Fluss spiegelnden grünen, blauen und roten Lichter zu schwärmen.
»Oh, das war eine wundervolle Idee, Thomas, das Feuerwerk hier auf dem Fluss zu erleben, ganz für uns allein! Und ist es nicht eine herrliche Nacht? Wir sollten uns gleich hier lieben, unter freiem Himmel, wie die Maoris ... meine Grandma Gwyneira, die erzählt auch so romantische Geschichten. Sie ist immer beim Schafabtrieb mitgeritten, als sie jung war, und dann ... Ach, das werde ich auch machen, Thomas! Ich freue mich so auf das Leben auf der Farm, mit all den Tieren ... und Callie ist ein wundervoller Sheepdog! Pass auf, wir zwei ersparen dir drei Treiber!« Elaine strahlte vor Glück und versuchte erneut, sich an Thomas zu kuscheln wie damals an William. Doch wieder stieß er sie weg.
»Was für eine Idee! Viehtreiben! Du bist meine Frau, Elaine! Auf keinen Fall wirst du dich in den Ställen herumtreiben! Wirklich, ich erkenne dich heute kaum wieder. Ist der Champagner dir zu Kopf gestiegen? Nun geh auf deinen Platz und sitz still, bis wir ankommen. Dieser Überschwang ist unerträglich!«
Elaine verzog sich ernüchtert auf die Bank ihm gegenüber.
Aber dann unterbrach Musik am Ufer die Missstimmung zwischen dem jungen Paar. Das Boot passierte eben das Gelände von Stever Station. Elaines Freunde vom Maori-Stamm, der pünktlich zum Viehtrieb zurückgekehrt war, hatten sich anscheinend am Fluss versammelt, um den Hochzeitern ein Ständchen zu bringen.
Elaine erkannte einen
haka
, eine Art Singspiel, in dem Szenen tänzerisch dargestellt wurden, wobei Männer und Frauen sangen und traditionelle Instrumente wie die
koauau
, die
nguru
- oder die
putorino
-Flöte im Hintergrund spielten.
»Oh, können wir nicht anhalten, Thomas?«, fragte Elaine begeistert. »Sie spielen für uns ...«
Dann sah sie den verzerrten Ausdruck auf Thomas’ Gesicht. Zorn? Schmerz? Hass? Irgendetwas schien eine unbändige, kaum zu beherrschende Wut in ihm auszulösen. Und einen seltsamen Anflug von Furcht ...
Elaine zog sich in ihre Ecke des Bootes zurück, während Thomas mit verkniffenem Gesicht die Ruder ergriff. Eigentlich reichte die Strömung des Flusses, um sich treiben zu lassen, doch Thomas trieb den Nachen an, als wäre er auf der Flucht.
Elaine hätte tausend Fragen gehabt, aber sie schwieg. Thomas war ganz anders, als sie erwartet hatte. Allmählich begann Elaine sich vor der Hochzeitsnacht zu fürchten. Dabei hatte ihre Nervosität sich bislang in Grenzen gehalten. Nach den Gesprächen mit Inger und Maren und vor allem nach ihren Zärtlichkeiten mit William hatte sie sich fast schon erfahren gefühlt. Seit einiger Zeit erlaubte sie sich wieder, an William zu denken – fast ohne Groll. Sie erinnerte sich an seine Berührungen und seine Küsse. Sie war gern bereit gewesen, sich berühren zu lassen, und war vor Erregung feucht geworden. Damals war ihr das peinlich
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