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Das Lied der Stare nach dem Frost: Roman (German Edition)

Das Lied der Stare nach dem Frost: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Stare nach dem Frost: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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ja.«
    »Denk bitte nach.«
    Er seufzte. »Sie hat nie auch nur angedeutet, dass ihre Eltern nicht ihre Eltern sein könnten.«
    »Aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie mit ihnen je wirklich innig war.«
    »Innigkeit. Wie willst du die denn bemessen?«
    »Elisabeth zum Beispiel hat Oma oft umarmt oder untergehakt. Mama und Ivo waren auch sehr innig.« Und sie und ich ebenfalls, nachts, wenn sie an mein Bett schlich, wenn wir ganz allein waren.
    »Elisabeth ist auch ein ganz anderer Typ als Dorothea. Und dann wohnte sie ja auch in der Nähe von Poserin, wir waren ja weit weg, im Westen.«
    »Trotzdem.«
    »Der Kontakt nach drüben war eben schwierig, das weißt du doch selbst noch. Und dann immer diese Wunschlisten deiner Großmutter. All diese Pakete, die Dorothea nach drüben schicken sollte, das war schon manchmal sehr anstrengend für sie. Da hat sie auch mal geschimpft.«
    »Omas Stiebel Eltron Boiler!«
    »Ja, der allein war eine Plage biblischen Ausmaßes. Himmel, wie oft der kaputtging und Dorothea nach Ersatzteilen rannte.«
    »Und sie hat das immer brav gemacht.«
    »Na ja, uns ging es doch gut. Drüben gab es das ja alles nicht zu kaufen.«
    »Ich meine es ernst, Papa. Ich will eine Antwort. Ich bin ziemlich sicher, dass sie nicht Omas leibliche Tochter war. Und sie war deine Frau. Du musst doch irgendwas gemerkt haben.«
    Wir schwiegen eine Weile. Beide. Die Möwen hatten den Spieß inzwischen umgedreht und jagten die Krähen. Ihre Schreie drangen sogar bis zu mir ins Auto. Der Regen trommelte auf die Scheiben.
    »Wir wollten dir das nie sagen, damit du das nicht falsch verstehst, Rixa.«
    »Was?«
    »Nach deiner Geburt litt Dorothea an einer Depression. Das kommt im Wochenbett schon einmal vor, und es gab sich auch wieder, aber kurz vor deinem vierten Geburtstag ist es ihr noch einmal sehr schlecht gegangen. So schlecht, dass sie eine Zeit lang in Behandlung war.«
    »Sie hat diese Depression meinetwegen bekommen.«
    »Das darfst du bitte nicht persönlich nehmen, sie hat dich geliebt, Rixa, sie –«
    »Weil ich ein Mädchen war.«
    »Aus irgendeinem Grund ängstigte sie das wohl, ja.«
    Tränen liefen mir über die Wangen, ganz unvermittelt. Sie war vier gewesen, als Amalie starb. Sie hatte ihre Mutter danach vergessen, vergessen müssen, erst als ich im selben Alter war, hatte sie sich wieder an sie erinnert, zumindest hatte sie wohl erkannt, dass da irgendeine existenzielle Lücke in ihrem Leben klaffte. Und also stellte sie die Frau, die sie aufgezogen hatte, zur Rede, so war diese Fahrt nach Sellin zustande gekommen. Meine Mutter wollte die Wahrheit wissen und hatte sie erfahren, und dann hatte sie beschlossen, diese Wahrheit lieber für sich zu behalten, vermutlich, weil sie uns Kinder und vor allem mich vor ihr beschützen wollte.
    Ich raste, als ich wieder in Sellin war. Ich tobte. Ich wütete. Ich schrie meinen Schmerz in das leere Pfarrhaus – Schmerz, von dem ich bislang nicht einmal gewusst hatte, dass er in mir loderte. Ich hörte Black Sabbath,
Paranoid
, so laut, dass mir die Ohren summten. Dann Bon Jovi,
It’s my Life
. Dann wieder
Paranoid
. Ich putzte das Haus, spülte das Geschirr, das in den letzten Tagen stehen geblieben war. Ich duschte heiß und kalt und dann, gerade als ich dachte, dass ich es keine Minute länger allein aushalten würde, entdeckte ich Eike auf der Veranda. Er stand ganz still im strömenden Regen, und sah mehr denn je wie der Nöck höchstpersönlich aus, zumindest so, wie ich mir den immer vorgestellt hatte. Nur die Weinflasche unter seinem Arm passte nicht ganz. Aber in der anderen Hand hielt er einen Haken mit zwei silbrigen Fischen.
    »Warum kommst du immer dann, wenn ich so gut wie nackt bin?« Ich zog den Bademantel enger um mich.
    »Instinkt.« Er lächelte. »Ich kann wieder gehen.«
    »Lieber nicht. Ich kann nicht besonders gut kochen.«
    »Dann hoffe ich, du hast wenigstens Salz, eine Zwiebel und ein Stück Butter.«
    »Das schon, aber keinen Herd.«
    Er starrte mich an.
    »Komm rein, war ein Scherz.«
    Ich zeigte ihm den Weg in die Küche. Sah er, dass ich geweint hatte? Hatte er gehört, wie ich raste? Egal, nein verdammt, genau richtig. Vor ein paar Tagen am See war er es gewesen, der die Fassade fallen ließ, jetzt war es an mir.
    »Ich habe noch einen Salatkopf und Kartoffeln.«
    »Nicht schlecht für eine Frau, die nicht kocht.«
    »Moni versorgt mich gut, der Salat ist aus ihrem Garten.«
    »Moni, die Beauty-Queen?«
    »Sie ist echt in

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