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Das Lied der Stare nach dem Frost: Roman (German Edition)

Das Lied der Stare nach dem Frost: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Stare nach dem Frost: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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verkauft?«
    Ich versuchte mich an die Posten Kfz-Steuer und -Versicherung auf meinen Kontoauszügen zu erinnern. Ich hatte das schleifen lassen, wie so vieles, hatte die Belege einfach einmal im Jahr meinem Steuerberater gegeben und die Formulare, die er mir zurückschickte, quasi blind unterschrieben. Weil es einfacher war und weil ich seit jenem Engagement auf der Hurtigruten einen Weg gefunden hatte, auch die Sommer nicht mehr in Berlin zu verbringen. Es ging mir besser seitdem, hatte ich geglaubt, und ich verdiente genug, um mir irgendwann eines Tages etwas Neues aufzubauen. Doch ich hatte nie wirklich darüber nachgedacht, was dieses Neue denn sein oder wann genau es beginnen sollte. Ich hatte überhaupt nicht viel nachgedacht, sondern war einfach abgehauen.
    »Dein Transit steht unten in der Halle. Ich hab mir aber erlaubt, ihn für dich abzumelden.« Wolle drückte seine Zigarette aus und griff wieder zum Lötkolben.
    »Danke. Ganz ehrlich: danke.« Ich trank den Glühwein aus. »Das sieht übrigens gar nicht schlecht aus, was du da machst.«
    »So hätte dein Bruder das wohl auch formuliert.«
    Ich nickte, merkte zu meiner Überraschung, dass ich es aushielt, ja sogar mochte, wieder im Atelier zu sein. Vielleicht lag das am Alkohol, der mir vorgaukelte, irgendein Teil von Ivo sei noch immer hier anwesend. Er hatte Wolle geschätzt, von Anfang an. Ich hingegen hatte mich meistens mit ihm gekabbelt und fand seine beinahe nostalgische Verklärung der DDR unerträglich. Erst allmählich begannen wir beide, das nicht mehr so verbissen zu sehen, sondern uns bei unseren Wortgefechten zu amüsieren.
    Piet nahm mir den Becher ab und füllte ihn erneut, ohne mich zu fragen, ohne etwas zu sagen, ohne mich anzusehen. Er war immer der Ruhepol und Streitschlichter im Trio der Männer gewesen. Ein stiller Arbeiter, der lange nachdachte, bevor er seine Meinung äußerte. Ein Künstler, der nie glänzte und polarisierte wie Ivo und vielleicht deshalb immer in dessen Schatten stand. Wieso war er hier in diesem Atelier geblieben, in dessen hinterem Teil noch immer die Überreste von Ivos Karriere lagerten? Und seit wann leistete ausgerechnet der eigenbrötlerische Wolle ihm beim Nachlasshüten Gesellschaft?
    Ich ging zu der Wand mit Piets neuen Werken. Abstrakte Farbverläufe auf verschiedenen Untergründen, teils plastisch herausmodelliert. Er war seinem Stil in all den Jahren immer treu geblieben, hatte ihn nur verfeinert. Ich drehte mich zu ihm um, sah, dass er mir gefolgt war.
    »Die sind gut, richtig gut.«
    Piet hob die Schultern. »Zitowitz will ein paar davon haben.«
    Zitowitz – eine der renommiertesten Galerien in Berlin, mit Dependancen in London und Paris.
    »Du hast es also geschafft.«
    »Im Moment ja. Aber wann kann man das in unserem Gewerbe jemals dauerhaft sagen?«
    Wir standen jetzt so nah voreinander, dass der Geruch frischer Ölfarbe mich einhüllte, sogar mein Glühwein schien danach zu schmecken. Ich zwang mich dazu, nicht länger auszuweichen, sondern Piet in die Augen zu sehen.
    »Sellin«, sagte ich. »Kannst du dich daran erinnern? Hat Ivo das jemals erwähnt?«
    »Was soll das denn sein?« Sein Erstaunen wirkte echt.
    »Ein Dorf in Mecklenburg. Vielleicht war das damals sein eigentliches Ziel.«
    »Aber er hat doch den ganzen Nachmittag von der Ostsee geredet. Und von diesem Kaff, wo ihr immer als Kinder wart. Wie hieß das noch?«
    »Poserin.«
    »Ja, genau.«
    »Ich muss Ivos Sachen durchsehen. Und dann muss ich nach Sellin und zwar so schnell wie möglich. Deshalb bin ich hier.«
    »Du willst nach Mecklenburg fahren, bei diesem Wetter?«
    »Ja.«
    »Nicht mit meinem Auto.«
    »Und nicht mit dem Transit«, rief Wolle von hinten.
    »Meine Mutter ist tot. Sie hatte einen Autounfall auf der A 19. Am 7. Januar.«
    »Scheiße.« Piets Blick floh zur Seite.
    Sein R4. Seine Schlüssel. Er hätte Ivos Todesfahrt verhindern können. Hätte und hatte nicht. Genauso wenig wie ich. Einmal, ein einziges Mal, hatten wir darüber gesprochen.
Du konntest doch nicht ahnen. – Nein, wohl nicht. – Niemand konnte das. – Auch du nicht. – Mag sein. – Vielleicht.
Ungelenke, hastig geflüsterte Andeutungen am Rande der Beerdigung. Freundlichkeiten, die nicht trösteten und auch nichts klärten. Und nun gab es einen weiteren Todesfall. Ein weiteres Opfer, wenn man so wollte. Diesmal war ich die Erste, die zur Seite sah. Ivo hätte wahrscheinlich gelacht.
Herrgott, Rixa, du bist doch nicht Jesus. Nun lad dir

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