Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
rasch davon, und der Schattenwolf trabte hinter ihm her.
Catelyn stand da und starrte ihm nach. Ihr Sohn, und jetzt war er ihr König. Welch eigentümliches Gefühl. Befehle , hatte sie ihn in Maidengraben aufgefordert. Ebendies hatte er getan. »Ich werde Vater einen Besuch abstatten«, verkündete sie plötzlich. »Komm mit mir, Edmure.«
»Ich muss mich noch um diese neuen Bogenschützen kümmern, die Ser Desmond ausbildet. Ich werde später nach ihm sehen.«
Falls er dann noch lebt , dachte Catelyn, sprach es jedoch nicht aus. Ihr Bruder würde sich eher in die Schlacht werfen, als das Krankenzimmer zu betreten.
Der kürzeste Weg zum zentralen Bergfried, in dem ihr Vater im Sterben lag, führte durch den Götterhain mit seinen Wiesen und Wildblumen und den Wäldchen aus Ulmen und Mammutbäumen. Noch raschelte das volle Laub in den Kronen, auch wenn der weiße Rabe Schnellwasser bereits vor vierzehn Tagen erreicht hatte. Der Herbst begann, so hatte es das Konklave verkündet, aber die Götter hatten es dem Wind und den Wäldern noch nicht verraten. Dafür empfand Catelyn tiefe Dankbarkeit. Der Herbst war eine Jahreszeit, die sie fürchtete, denn hinter ihm lauerte der Winter. Und selbst der weiseste Mann wusste nie, ob seine nächste Ernte die letzte sein würde.
Hoster Tully, Lord von Schnellwasser, lag im Bett seines Solars, von wo aus er einen weiten Blick über den Trommelstein und den Roten Arm jenseits der Burgmauern hatte. Er schlief, als Catelyn eintrat. Sein Haar und sein Bart waren weiß wie das Federbett, seine einst stattliche Gestalt wirkte nun, da der Tod die Klauen nach ihm ausstreckte, klein und gebrechlich.
Neben dem Bett saß, noch in Kettenhemd und dem staubbedeckten Reisemantel, ihres Vaters Bruder, der Schwarzfisch. Seine Stiefel waren mit getrocknetem Schlamm gesprenkelt. »Weiß Robb von Eurer Rückkehr, Onkel?« Ser Brynden Tully war für Robb Augen und Ohren, er war Kommandant der Kundschafter und Vorreiter.
»Nein, ich bin gleich vom Stall hierhergeeilt, als man mir sagte, der König halte Hof. Seine Gnaden wird meine Kunde zunächst allein hören wollen, glaube ich.« Der Schwarzfisch war ein großer, schlanker Mann mit grauem Haar und exakten
Bewegungen. Sein glatt rasiertes Gesicht war gefurcht und wettergegerbt. »Wie geht es ihm?«, fragte er, und damit meinte er nicht Robb.
»Unverändert. Der Maester gibt ihm Traumwein und Mohnblumensaft, daher schläft er die meiste Zeit, und er isst zu wenig. Mit jedem Tag scheint er ein wenig schwächer zu werden.«
»Spricht er gelegentlich?«
»Ja … aber in seinen Worten findet man nur wenig Sinn. Er entschuldigt sich, redet von unerledigten Aufgaben, von Menschen, die lange tot sind, von Zeiten, die lange vergangen sind. Manchmal weiß er nicht, welche Jahreszeit ist oder wer ich bin. Einmal hat er mich bei Mutters Namen genannt. «
»Er vermisst sie immer noch«, antwortete Ser Brynden. »Du hast ihr Gesicht geerbt. Ich sehe es ebenfalls in deinen Wangen, deinem Kinn …«
»Ihr könnt Euch an mehr erinnern als ich. Es ist schon so lange her.« Sie setzte sich auf die Bettkante und strich eine Strähne des feinen weißen Haares zurück, die ihrem Vater in die Stirn gefallen war.
»Jedes Mal, wenn ich hinausreite, frage ich mich, ob ich ihn bei meiner Rückkehr noch lebend oder schon tot vorfinden werde.« Trotz all ihrer Auseinandersetzungen bestand eine tiefe Verbindung zwischen ihrem Vater und seinem Bruder, den er einst verstoßen hatte.
»Zumindest habt Ihr Euren Frieden mit ihm geschlossen. «
So saßen sie schweigend eine Weile lang da, bis Catelyn den Kopf hob. »Ihr spracht von Neuigkeiten, die Robb hören sollte?« Lord Hoster stöhnte und wälzte sich auf die Seite, als habe er ihre Worte vernommen.
Brynden stand auf. »Komm mit nach draußen. Wir sollten ihn nicht wecken.«
Sie folgte ihm auf den Steinbalkon, der dreieckig aus dem
Solar herausragte wie der Bug eines Schiffes. Ihr Onkel blickte zum Himmel und runzelte die Stirn. »Jetzt sieht man ihn schon bei Tage. Meine Männer nennen ihn den Roten Boten … aber welche Botschaft bringt er uns?«
Catelyn betrachtete die schwache rote Linie, die der Komet über den tiefblauen Himmel zog; er sah aus wie ein langer Kratzer auf dem Gesicht eines Gottes. »Der Großjon hat Robb gesagt, die alten Götter hätten die rote Flagge der Rache für Ned entrollt. Edmure hält es für ein Omen des Sieges für Schnellwasser – er sieht einen Fisch mit langer Schwanzflosse
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