Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
das, was uns erwartet , dachte Davos. Viele und vieles würden noch brennen, bevor dieser Krieg zu Ende war.
Melisandre war in scharlachrote Seide und blutroten Samt gehüllt, ihre Augen glitzerten so flammend rot wie der Rubin an ihrem Hals. »In den alten Büchern Asshais steht geschrieben, dass nach einem langen Sommer ein Tag kommen wird, an dem die Sterne bluten und der kalte Odem der Finsternis die Welt umschlingen wird. In dieser Stunde des Schreckens wird ein Krieger ein brennendes Schwert aus dem Feuer ziehen. Und dieses Schwert soll Lichtbringer sein, das Rote Schwert der Helden, und wer es ergreift, ist der wiedergeborene Azor Ahai, und die Dunkelheit wird vor ihm weichen.« Sie hob die Stimme, und ihre Worte hallten weit über das versammelte Heer hinweg. »Azor Ahai, du von R’hllor Gesegneter! Krieger des Lichts, Sohn des Feuers! Tritt vor, dein Schwert erwartet dich! Tritt vor und ergreife es!«
Stannis Baratheon schritt heran wie ein Soldat, der in die Schlacht marschiert. Seine Knappen traten hinzu. Davos beobachtete seinen Sohn Devan, der dem König einen gepolsterten Handschuh über die rechte Hand streifte. Der Junge trug ein cremefarbenes Wams, auf dessen Brust ein flammendes Herz gestickt war. Bryn Farring war ähnlich gekleidet, und er legte nun Seiner Gnaden einen steifen Lederumhang um die Schultern. Hinter sich hörte Davos ein leises Klimpern und Klingeln von Glöckchen. »Unter dem Meer steigt der Rauch in Blasen auf, und das Feuer brennt grün und blau und schwarz«, sang Flickenfratz irgendwo. »Ich weiß es, ich weiß es, oh, oh, oh.«
Der König biss die Zähne zusammen, hielt den ledernen Mantel vor sich und tauchte in das Feuer. Zielstrebig trat er auf die Mutter zu, packte das Schwert mit der behandschuhten Hand und riss es mit einem einzigen Ruck aus dem brennenden
Holz. Sofort zog er sich zurück und hielt die Waffe in die Höhe; Flammen, grün wie Jade, züngelten um den kirschroten Stahl. Wachen eilten herbei und löschten die glimmenden Funken an der Kleidung des Königs.
»Ein Schwert aus Feuer!«, rief Selyse. Ser Axell Florent und die anderen Gefolgsleute der Königin stimmten ein: »Ein Schwert aus Feuer! Es brennt! Es brennt! Ein Schwert aus Feuer!«
Melisandre hob die Hände hoch über den Kopf. »Sehet! Ein Zeichen wurde euch versprochen, ein Zeichen durftet ihr schauen! Sehet Lichtbringer! Azor Ahai ist auferstanden! Preiset den Krieger des Lichts! Preiset den Sohn des Feuers!«
Stannis’ Handschuh begann zu schwelen. Fluchend stieß der König das Schwert in die feuchte Erde und schlug die Flammen an seinem Bein aus.
»Herr, lasse dein Licht über uns leuchten!«, rief Melisandre.
»Denn die Nacht ist dunkel und voller Schrecken«, antworteten Selyse und ihre Getreuen. Muss ich diese Worte ebenfalls über meine Lippen bringen? fragte sich Davos. Schulde ich Stannis so viel? Ist dieser feurige Gott wirklich der seine? Seine verstümmelten Finger zuckten.
Stannis zog den Handschuh aus und ließ ihn fallen. Die brennenden Götter waren jetzt kaum mehr zu erkennen. Der Kopf des Schmiedes fiel ab und landete zischend in Asche und Glut. Melisandre sang in der Sprache von Asshai, ihre Stimme hob und senkte sich mit dem Rauschen der Wellen. Stannis band den Lederumhang los und hörte schweigend zu. Lichtbringer glühte noch immer rötlich, aber die Flammen, die das Schwert eingehüllt hatten, schwanden langsam und erstarben.
Als das Lied schließlich verklang, war von den Göttern nur noch Holzkohle geblieben, und der König war mit seiner Geduld am Ende. Er nahm den Arm der Königin, geleitete sie ins Innere von Drachenstein und ließ Lichtbringer in der Erde stecken. Die Rote Frau verweilte noch einen Augenblick
und sah Devan zu, der sich mit Bryn Farring neben das Schwert kniete und es in den Ledermantel des Königs wickelte. Das Rote Schwert der Helden macht einen ziemlich mitgenommenen Eindruck , schoss es Davos durch den Sinn.
Einige der Lords blieben und unterhielten sich leise auf der windabgewandten Seite des Feuers. Sie bemerkten, dass Davos sie beobachtete, und verstummten. Sollte Stannis stürzen, werden sie im selben Augenblick über mich herfallen. Genauso wenig zählte er zu den Gefolgsleuten der Königin, jenen ehrgeizigen Rittern und kleinen Lords, die sich diesem Herrn des Lichts verschrieben hatten und so die Gunst und das Wohlwollen der Lady – nein, Königin, achte auf deine Worte! –Selyse gewonnen hatten.
Melisandre und die Knappen
Weitere Kostenlose Bücher