Das Los: Thriller (German Edition)
dreizehn Milliarden …«, sagte Marc gedankenverloren.
»Mindestens«, korrigierte Carter ihn. »Ich rechne damit, dass noch mehr Ratten versuchen werden, das sinkende Schiff zu verlassen.«
»Und woher? Kannst du noch was zu Geld machen?«
»Selbst wenn ich mein Haus in den Hamptons, die Autos, die Jachten und alle Immobilien und die Anteile am Baseballteam verkaufen würde, kann ich so viel nicht aufbringen«, entgegnete Carter mit einem bitteren Lächeln. »Nein, ich werde die Stiftungsrunde machen. Und die Universitäten abklappern. Dort liegt das meiste noch nicht investierte Geld. Wohltäter haben Angst, das Geld ihrer Spender zu verspielen, deswegen sind die am zurückhaltendsten. Ich werde das Geld dort holen. Dann zahlen wir die größten Stinker aus. Vielleicht können wir den einen oder anderen damit beruhigen, und er zieht seine Kündigung zurück. So könnte es gehen.«
»Wenn die Stiftungen und Universitäten so vorsichtig sind, dann werden sie ihr Vermögen dir auch nicht anvertrauen.«
Carter setzte ein breites Lächeln auf und zeigte mit seinem Zeigefinger auf seine Zähne.
»Damit«, zischte er durch das geschlossene Gebiss, »knacke ich sie. Die fressen mir aus der Hand. Über vierzig Prozent unseres Kapitals kommen bereits von Stiftungen. Stiftungen lieben mich!«
»Und wenn das Geld nicht reicht …«, gab Marc zu bedenken. Er schien sich nicht zu trauen, das auszusprechen, was er gerade dachte. Dann aber gab er sich einen Ruck. »Wenn das Geld nicht reicht und wir doch noch Bankrott machen, dann verlieren diese Leute alles. Ihre ganzen Spendengelder.«
Carter knallte die Whiskeyflasche auf den Schreibtisch vor sich und beugte sich zu Marc vor. »Und? Sonst verlieren wir alles. Was ist dir lieber: dass die Krüppel, die verwöhnten Studenten und die nichtsnutzigen Penner ein paar Dollars weniger in den Hintern geblasen bekommen – oder aber dass wir vor die Hunde gehen und die nächsten zweihundert Jahre in den Knast wandern? Dann bleibt die Suppenküche halt mal einen Winter geschlossen!« Carter schrie diese Worte heraus, und Speicheltropfen flogen dabei auf den Schreibtisch.
Marc senkte den Blick und starrte auf den Block vor sich.
»Also!«, stieß Carter hervor, nachdem er sich wieder gesetzt und seinen Krawattenknoten gelöst hatte. Um sich zu beruhigen, nahm er erneut einen Schluck aus der Whiskeyflasche, wobei ein feines Rinnsal aus seinem Mundwinkel über das Kinn auf den Kragen seines karierten Hemdes floss.
Als er die Flasche absetzte, hielt er sie erneut Marc hin, der nach kurzem Zögern zugriff. Plötzlich zuckte er zusammen, als habe ihm jemand in das Kreuz getreten. Auch Carter fuhr zusammen und erstarrte dann. Als es weitere zweimal an der Tür klopfte, waren beide sicher, sich nicht verhört zu haben.
Carter warf seinem Gegenüber einen strafenden Blick zu. »Ist dir doch jemand gefolgt?«, zischte er leise und legte sogleich den Zeigefinger auf seinen Mund, um die mögliche Antwort zu unterbinden.
Für viele Sekunden verharrten sie in absoluter Bewegungslosigkeit, wie zwei Einbrecher, die nicht erwischt werden wollten. Gerade entspannte sich Carters Körperhaltung, als es erneut klopfte. Dann wieder und wieder.
Es war ein geduldiges Klopfen mit langen Pausen zwischen den einzelnen Schlägen, und es klang in Carters Ohren weniger wie die flehende Bitte um Einlass als vielmehr wie die selbstbewusste Ankündigung eines bevorstehenden Eintretens. Vor Carters geistigem Auge erschien das Bild einer viele Kilometer langen Schlange von Menschen, die sich von der schlichten Tür des kleinen Büros entlang der High Line bis hinauf zur 34th Street erstreckte. In der Reihe der Wartenden erkannte er vereinzelt Gesichter ihm bekannter Anleger seines Fonds, die teils wütend, teils traurig, in jedem Fall aber anklagend dreinblickten.
Weitere Klopfgeräusche rissen Carter aus seinem Tagtraum. Es gab ungefähr fünftausend Menschen, die vor dieser Tür stehen konnten und denen er auf keinen Fall begegnen wollte; und es gab, nachdem Marc ihn aufgesucht hatte, keinen einzigen Menschen auf diesem Planeten, dessen Kommen ihm in diesem Augenblick angenehm gewesen wäre. Die Hoffnung, dass derjenige, der da auf der anderen Seite der Tür seine Knöchel gegen das Holz schlug, aufgeben und abziehen würde, schien sich nicht zu erfüllen. Wenige Meter entfernt von seinem Platz stand jemand, nur durch eine wenige Zentimeter dünne Tür von ihm getrennt, die der Betreffende jederzeit
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