Das Los: Thriller (German Edition)
schadenfrohen Bemerkungen und Gesten veranlasste. Sie hatte Chad stattdessen die Hand gereicht und sich für die Partie bedankt, als sei er für sie ein x-beliebiger Gegner gewesen. Dann hatte sie ebenso schweigend wie gewissenhaft ihre Chips in dem Plastikbeutel verpackt, ihren Namen daraufgeschrieben und ihn der Turnierleitung für den nächsten Tag, an dem sie mit ihren Chips weiterspielte, übergeben. Danach hatte sie sich von einem Sicherheitsmann durch eine Seitentür hinausbegleiten lassen und Chad nicht mehr gesehen.
Am folgenden Tag hatte sie überall im Pokersaal ein Getuschel, wie das Zirpen von Grillen, begleitet. »Das ist die, die gegen ihren Freund gewonnen hat!«, hörte sie mehrmals. Manche klopften ihr im Vorbeigehen auf die Schulter oder riefen ihr ein »Gut gemacht!« zu, und sie wusste nicht, ob diese Leute ihr Spiel oder die Zurückweisung von Chads Avancen meinten.
Der Aufwind, den dieser Sieg am ersten Tag der Weltmeisterschaft ihr verlieh, hatte sie auch durch den zweiten Tag getragen und sie schließlich erneut am Finaltisch triumphieren lassen. Dann und wann hatte sie mit bangem Blick Ausschau nach Chad gehalten, als könnte durch sein Erscheinen ihre Glückssträhne reißen, doch er war nirgends mehr zu sehen gewesen. Vermutlich hatte auch er mitbekommen, dass er sich mit seinen öffentlichen Liebesbekundungen ihr gegenüber lächerlich gemacht hatte.
Heute war es noch besser gelaufen als die Tage zuvor; sie hatte noch nicht einmal das Gefühl gehabt, kämpfen zu müssen. Und als würden sich alle ihre Träume plötzlich erfüllen, saß sie nun mit den letzten zehn Spielern des Hauptturniers der »World Series of Poker« an einem Tisch. Selbst wenn sie nun ausscheiden würde, wären ihr als Zehnte bereits über siebenhunderttausend Dollar an Preisgeld sicher.
Doch sie verschwendete keinen Gedanken an eine mögliche Niederlage. Sie wollte gewinnen. Nur noch einer der verbliebenen zehn Spieler musste ausscheiden, dann waren den anderen neun nicht nur jeweils eine knappe Million Dollar Preisgeld sicher. Viel wichtiger war, dass man sich in drei Monaten hier an selber Stelle zur Endrunde wiedertreffen und als die sogenannten October Nine den Weltmeister untereinander ausspielen würde. Oder besser gesagt: die Weltmeisterin. Wieder musste sie bei diesen Gedanken lächeln. Sie griff sich an den Glücksbringer, der um ihren Hals baumelte. In den vergangenen Tagen war es so, als würde ein besonderes Licht auf sie herabscheinen. Trisha hatte sich immer wieder heimlich gekniffen, um sicherzugehen, dass sie dies alles nicht träumte. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte die Umgebung sich unwirklich an und nicht sie selbst.
»Hast du gehört, Trish? Pech in der Liebe, Glück im Spiel!«, sagte Maurizio erneut und grinste um Anerkennung heischend in die Runde, ohne die erhofften Lacher zu ernten. Auch wenn alle sich locker gaben, die Anspannung am Tisch war spürbar.
»Pech in der Liebe, Glück im Spiel«, wiederholte Trisha verächtlich, während sie immer noch damit beschäftigt war, die soeben vom Mexikaner gewonnenen Chips auf ihren eigenen Stapeln zu verteilen. »Ein weiterer Beweis, wie wenig Ahnung du vom Pokern hast?«, frotzelte sie in Maurizios Richtung.
Der Trash-Talk gehörte beim Pokern dazu. Ein probates Mittel, um den Gegner abzulenken und die eigene Nervosität zu verbergen. Beim Pokern brauchte man Eier, und das wusste an diesem Tisch keiner besser als Trisha, die letzte im Turnier verbliebene Frau.
»Du setzt auf einen Gutshot und findest die 10 auf dem River , das nenne ich keine große Strategie. Nach Outs lag ich klar vorn«, gab Maurizio etwas beleidigt zurück.
Trisha saß am Big Blind und warf ihren Einsatz für die nächste Runde mit gelangweilter Geste in die Mitte, bevor sie vom Geber, einem rassigen Franzosen mit süßem Akzent, zwei neue Karten zugeteilt bekam.
»Gut zu wissen, dass du glaubst, dass Pokern ein Glücksspiel ist«, raunte sie zu Maurizio herüber.
Vorsichtig bog sie die Ecken ihrer Spielkarten nach oben, um sich die Vorderseiten anzuschauen. Dann schob sie die Karten auf den in den Spieltisch eingearbeiteten Glaseinsatz vor sich. Darunter war an diesem Finaltisch eine TV-Kamera installiert, um ihr Blatt in die ganze Welt zu übertragen. Das Finale wurde live im Fernsehen gesendet.
»Vor allem aber übersiehst du, dass auch die Liebe nur ein großes Spiel ist«, ergänzte Trisha.
Maurizio, der seine Karten nicht weggeworfen, sondern auch auf das
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