Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Land
mein Land
einmal
mir so
verwandt,
dass ich weinte als
ich es
verlor,
ich es
verlor.
War ein Land,
mein Land
und war
es doch
nicht mehr,
als es die Menschen band
an sich
mit Macht
und Hinterlist.
Ich habs geliebt, gehasst, geliebt, gehasst,
doch nie
war es mir gleich.
Es war mein Land,
kein Land,
so schnell
wie es
verschwand
vom einen Tag zum andern,
dass kein Mensch
es wiederfand.
Ich habs geliebt, gehasst, geliebt, gehasst,
doch nie
war es mir gleich. 10
Beim Publikum, egal ob in West oder Ost, trafen wir damit einen Nerv. Beide Seiten hatten das Land verloren, das sie bis dahin gekannt hatten, das sie geprägt hatte. Es war schwierig, sich auf die veränderte Situation einzustellen, vor allem für die Generation, die den Kalten Krieg noch miterlebt hatte. Die Mauer im Kopf war genauso hoch wie die tatsächliche. Es war ein Balanceakt. Für mich als Künstlerin hatte er eine besondere Komponente: In der DDR hatte ich vom politischen System ideologische Vorgaben auferlegt bekommen, später, in der BRD und im wiedervereinigten Deutschland, wollten die Medien in ihrer Festgelegtheit und Voreingenommenheit formatgerecht bedient werden. Und genau dagegen sträubte ich mich.
Das Publikum, das meine Konzerte besuchte, wollte mich mit all meinen Facetten. Die Medien wollten mich weich gespült. Ein Lied wie »Es war ein Land« wurde von ihnen konsequent ignoriert. Kurt Demmler hatte den Text geschrieben, Gerulf den Zeilen den letzten Schliff verpasst, die Melodie stammte von Franz. Die letzten Zeilen lauten:
Es war ein Land
gebaut auf Sand
und einem Traum
Und als das Land verschwand
Blieb nur
der Traum
auf dem es stand
Gebündelter kann man es nicht sagen. Auch die Musik war sehr stark. Aber es passte nicht in die Radiolandschaft. Stattdessen spielten die Sender »Sehnsucht«. Ein schöner Song, keine Frage, doch keiner, der etwas aufrührte, zum Denken anregte. So kommt es, dass man in der Öffentlichkeit mit zwei Gesichtern dasteht. Anspruchsvollere Chansons oder Balladen, die mich viel mehr ausmachten als die Radiohits, erreichten im Nachtprogramm nur ein paar versprengte Hörer. Nur bei Liveauftritten konnten wir solche Lieder unterbringen – das Publikum, das ich mir über die Jahre erarbeitet habe, wobei mir meine alten Erfolge besonders halfen, weiß, warum es in meine Konzerte kommt. Ich habe bis heute ein waches, an Sprache und guter Musik interessiertes Publikum, wofür ich sehr dankbar bin.
Die Krebserkrankung meines Vaters verschlimmerte sich. Er hatte es sich trotz seines Gesundheitszustandes in den Kopf gesetzt, aus dem einsam gewordenen Haus in Wölfis in eine Wohnung umzuziehen, und dabei unterschätzt, was die Auflösung des ehedem großen Haushalts nebst Werkstatt und Garten bedeutete. Meine älteste Schwester und mein Schwager gingen ihm so gut sie konnten zur Hand. Er verkaufte das Haus weit unter Wert. Wer wollte damals schon in einen kleinen Ort in Thüringen ziehen? Erst nach langem Suchen fand sich ein Käufer.
Wir vier Schwestern waren traurig über diese Entwicklung, die den endgültigen Abschied von unserer Kindheit besiegelte. Aber niemand aus der Familie hatte das Haus haben wollen. Jeder von uns hatte sich eine eigene Existenz fern der Hinterziel aufgebaut, außerdem hätte diejenige, die das Haus übernommen hätte, die anderen ausbezahlen müssen. Der Vater kaufte eine Eigentumswohnung in Ohrdruf, jenem Ort, aus dem seine Eltern stammten. In einem gerade fertiggestellten Neubau wollte er die letzte Zeit seines Lebens verbringen.
Ich bekam Bauchschmerzen, wenn ich daran dachte, was da gerade mit meinem Geburtshaus und meinem Vater passierte. Erinnerungen aus Kindertagen prasselten auf mich ein. Irgendwie bleibt man doch immer noch Kind, solange das Elternhaus steht, die Eltern noch leben. Aber mein Vater wollte den Wechsel unbedingt durchziehen. Es gelang ihm mit großer Anstrengung, doch danach verschlechterte sich sein Zustand. Er hatte sich überfordert – und er war einsam, zum ersten Mal in seinem Leben.
Aber wenn sich mein Vater etwas in den Kopf setzt, dann führt kein Weg daran vorbei.
Und wir vier Schwestern waren jetzt mit dem Problem konfrontiert, seine Einsamkeit irgendwie auszugleichen. Die Andeutungen und versteckten Vorwürfe nahmen zu. Er hoffte, dass eine von uns die Lücke, die meine Mutter hinterlassen hatte, schließen konnte.
Aber wie?
Katzendreck, wohin man tritt, und egal wie oft man scheuert und putzt. Der Kater
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