Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)
beginnt in drei Stunden und ich sollte etwas früher dort sein.“ Herausfordernd sah sie ihren Schwiegervater an.
„Es kann der Beste nicht in Frieden leben...“, zitierte er, schob Nancy vom Schoß und stand auf. „Ich bin ziemlich schnell umgezogen. Keine Angst. Außerdem fahren wir eine halbe Stunde sp äter als du los.“
„Spielt Maureen mit Puppen?“, erkundigte sich Nancy.
„Sehr gern sogar“, antwortete Janice und nahm sie in den Arm. „Du musst ihr dein Puppenhaus zeigen. Maureen besitzt in Cornwall auch eines.“ Sie hatte das alte Puppenhaus vom Dachboden geholt und für ihren Schützling aufgebaut. Maureen konnte sich stundenlang damit beschäftigen.
In ihrem Zimmer zog sie sich für die Vernissage um. Es war für sie die erste Ausstellung seit Jahren. Die Bilder, die in der Galerie gezeigt wurden, waren alle während der letzten Monate entstanden. Sie hoffte nicht nur ihretwegen auf einen Erfolg, sondern vor allen Dingen, weil sie wusste, dass Edward und David an sie glaubten. Seit jener Nacht in der Bucht, hatte sie zwar Davids Stimme nicht mehr gehört, war sich jedoch sicher, dass er sich in ihrer Nähe aufhielt.
In den letzten Wochen hatte Janice festgestellt, dass sie der Tod ihres Mannes und ihres Sohnes noch immer zutiefst schmerzte, aber die Wunde, die er ihr gerissen hatte, langsam zu verheilen begann. Jetzt haderte sie nicht mehr mit dem Schicksal, dass es ihr verwehrt hatte, wie Edward und David zu sterben, sondern sie begann sich wieder ihres Lebens zu freuen. Die Zuneigung, die ihr Dr. Thornberry schenkte und die Gewissheit, dass Maureen sie brauchte, trugen viel dazu bei. Sie freute sich darauf, dass Walter es möglich gemacht hatte, für diesen Abend nach London zu kommen.
Walter Thornberry war pünktlich, wie sie es nicht anders von ihm erwartet hatte. Eine halbe Stunde vor Eröffnung der Ausstellung traf er im ‚Haus der Kunst‘ ein. Janice ging ihm entgegen und führte ihn zu ihrem Schwiegereltern, die vor einem ihrer Bilder standen und darüber sprachen.
„Wir kennen uns ja noch aus der Reha-Klinik“, meinte Ireen Baker, als sie dem jungen Arzt die Hand reichte. „Ich habe von Janice gehört, dass Sie ziemlich oft in Saint Vincent sind.“
„Bestimmt nicht nur wegen des reizenden Dörfchens und der schönen Buchten, die es in diesem Teil Cornwalls gibt“, bemerkte ihr Mann grimmig, als er ebenfalls den Arzt begrüßte.
„Nein, Janice und ich sind gute Freunde geworden“, antwortete Walter.
Der alte Mann musterte ihn eingehend. Es wirkte, als wollte er ergründen, ob seine Schwiegertochter und Walter Thornberry nicht längst mehr als gute Freunde waren. „Was sagen Sie zu Janices Bilder?“ Er hob den Stock und wies auf das Gemälde, vor dem sie standen.
„Eines ist schöner und interessanter als das andere“, erwiderte Walter. „Dieses beeindruckt mich allerdings nach wie vor am meisten.“ Er trat zu einem Bild, das zwei Meter weiter hing. Es war das erste, das Janice von dem kleinen Mädchen am Strand gemalt hatte. Es sah rührend aus, wie es die Puppe an sich drückte.
„Hast du in der letzten Zeit dieses Kind wiedergesehen?“, fragte Simon Baker seine Schwiegertochter. Sie hatte ihnen erzählt, dass sie ab und zu ein kleines Kind allein am Wasser sah und es keiner zu kennen schien. Es war das alles, was sie darüber wussten.
„Nein, in den letzten Wochen nicht mehr“, antwortete sie wahrheitsgemäß.
Die Vernissage wurde ein voller Erfolg. Zum ersten Mal in der Geschichte der Galerie wurden alle Bilder noch am selben Abend verkauft und mit einem roten Punkt versehen. Der Galerist bestürmte Janice, ihm möglichst bald neue Bilder zu liefern.
Ireen und Simon Baker verabschiedeten sich ziemlich rasch. Sie hatten keine Lust, noch an der anschließenden Feier teilzunehmen. „Sei uns nicht böse“, meinte Ireen. „Du weißt, dass Dads Herz nicht das beste ist und er rechtzeitig ins Bett kommen sollte.“
„Ich bin euch nicht böse“, sagte die junge Frau und brachte ihre Schwiegereltern zu deren Wagen.
„Übernachtest du in London, oder kommst du nach Hause?“, erkundigte sich ihr Schwiegervater zum Abschied.
„Ich komme nach Hause“, versicherte sie ihm. „Mach dir keine Sorgen um mich.“ Sie drückte seine Hand. „Schön, dass ihr bei der Vernissage dabei gewesen seid.“
„Nicht jeder hat eine Schwiegertochter, die eine erfolgreiche Malerin ist“, erklärte er und schlug die Wagentür zu.
Janice blieb stehen, bis ihre
Weitere Kostenlose Bücher