Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
dir zugetraut, ein Schänder zu sein, also nimmst du fortan an, die ganze Welt müsse dasselbe tun.«
»Woher wisst Ihr …«
Der Pater winkte ab. »Woher wir um das Mädchen wissen, ist ohne Bedeutung. Wir wissen es, und wir haben nicht vor, es gegen dich zu verwenden. Du hast ein Ende gemacht, und alles Übrige geht uns nichts an. Nur das eine: Wenn du hinter diese Mauern geflüchtet bist, damit das Mädchen dir nicht auf die Schliche kommt, dann ist dies hier nicht dein Platz.«
Thomas wollte widersprechen, doch der Pater ließ ihm keine Zeit dazu. »Um dir Gelegenheit zu geben, diese Fragen in dir zu ergründen, haben wir beschlossen, dein Postulat bis zum Beginn der Fastenzeit zu Allerheiligen zu verlängern«, verkündete er in förmlichem Ton. »Erst dann werden wir darüber entscheiden, ob du das Noviziat innerhalb der Gemeinschaft antreten darfst.«
»Und Ihr sagt, Ihr vertraut mir?« Thomas sprang auf. »Lentz Harzer, der noch kein halbes Jahr hier ist, legt am Sonntag seine Gelübde ab, aber die meinen schiebt Ihr auf?«
»Eifersüchtig?«
»Nein«, platzte er prompt heraus. »Auf einen feinen Kerl wie Lentz Harzer könnte nicht einmal der Teufel eifersüchtig sein.«
»Tatsächlich nicht?« Der Mönch hob die Brauen. »Und solches Reden im Sprechzimmer deines Guardian erscheint dir kein bisschen zweifelhaft?«
»Warum sollte es?«
Pater Martinus lachte. »Nun gut, darüber sprechen wir ein andermal. Sofern du sicher bist, keine Pause zu benötigen, darfst du jetzt ins Hospital zurückkehren. Pater Gregorius kann jede Hand, die zupackt, gut gebrauchen.«
»Ich will die Gelübde ablegen«, sagte Thomas. »Wenn es ist, wie Ihr sagt, wenn meine Ehrenstrafe für Euch kein Hindernis darstellt, dann begreife ich nicht, warum Ihr mir vorenthaltet, was Ihr jedem anderen gewährt.«
»Halt den Schnabel, mein Junge«, erwiderte der Pater. »So lautet nun einmal unsere Entscheidung, die musst du hinnehmen, nicht begreifen. Zumindest jetzt noch nicht.«
Damit stolperte er zur Tür und zog sie auf. Als Thomas unschlüssig stehen blieb, zog er ihn sacht am Ärmel. »Du bist ein stolzer, freiheitsliebender Mann«, sagte er. »Und dafür habe ich dich vom ersten Tag an geliebt. Hast du das Wort gehört, das ich benutzt habe? Dann behalte es. Es ist ein Geschenk. Ich habe mir damals vorgenommen, dich nicht zu brechen, sondern dir zu helfen, dich zu heilen, Thomas. Und nicht einmal du wirst mich davon abbringen können.«
»Was soll all das Gerede bedeuten? Dass Ihr mich nicht bei Euch haben wollt?«
»Dass ich dich von Herzen gern hier haben will – aber nur, wenn du die freie Wahl hast. Und sie triffst.«
25
Diether und seine Freunde hatten sich bereits am frühen Morgen auf dem Neuen Markt treffen wollen, um mitzuerleben, wie Propst Nikolaus und sein Gefolge in die Kirche einmarschierten. Am Abend zuvor aber hatte Diether einen furchtbaren Streit mit Magda gehabt. Um Geld war es gegangen, um die paar Pfennige, die er für Gretlins Unterhalt brauchte. Begriff Magda nicht, wie erniedrigend es für ihn war, sie darum anzubetteln? Hätte sie nicht auf den Gedanken kommen können, ihm den Betrag regelmäßig auszuzahlen, damit er wie ein Mann davon leben konnte, bis er wieder auf die Füße fand?
Er würde ja in Petters Geschäft eintreten, Petter hatte ihn schließlich selbst darum gebeten. Sobald sie Propst Nikolaus das Fürchten gelehrt hätten, würde Diether mit ihm sprechen. Natürlich hatte er Magda nichts davon erklären können, doch bisher hatte sie auch ohne Erklärung Verständnis gezeigt. Ausgerechnet an diesem Abend stellte sie sich bockbeinig wie eine Eselin. »Ich mag ja eine Gans sein, Diether, aber keine, die goldene Eier legt.«
»Ach, komm schon, einen einzigen Groschen wirst du doch entbehren können.«
»Von einem einzigen Groschen leben wir eine Woche lang«, entgegnete sie. »Und auch du könntest nicht schlecht davon leben. Du bekommst dein Essen auf den Tisch, dein Bier dazu, du hast dein sauberes, warmes Lager und deine Kleider, die ich dir in Ordnung halte. Zu mehr mag es bei uns nicht reichen, doch für die meisten Menschen ist das mehr als genug.«
»Und was ist mit Gretlin?«, fuhr Diether ihr in ihre Predigt.
»Für Gretlin, wer immer sie sein mag, bin ich nicht verantwortlich«, sagte Magda. »Ihr mögt alle Lebensträume und Gretlins und der Himmel weiß, was noch, haben, aber ich sorge hier für euer täglich Brot. Um alles andere müsst ihr euch selbst
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