Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus dem All

Das Mädchen aus dem All

Titel: Das Mädchen aus dem All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Jefremow
Vom Netzwerk:
aus Metall gegossenen Körpers liegt in gleißendem Licht, die andere im Halbschatten. Um den schlanken Hals trägt sie eine Kette aus weißen Raubtierzähnen, das Haar ist über dem Scheitel zusammengebunden und von einem Kranz feuerroter Blüten bedeckt. Mit der rechten Hand schiebt sie den Zweig eines Baums vor ihrem Gesicht beiseite, mit der linken einen Dornenzweig vor ihren Knien. In der gespannten Haltung ihres Körpers und dem kraftvollen Schwung ihrer Hände liegt etwas von der Unbekümmertheit der Jugend, die sich eins fühlt mit der sich ewig verändernden Natur. Dieses Einssein ist gleichbedeutend mit Wissen, mit intuitivem Erfassen der Welt. In den dunklen Augen, die über das bläuliche Gras hinweg in die Ferne, auf die kaum erkennbaren Konturen der Berge blicken, ist deutlich Unruhe zu lesen, die Erwartung der großen Prüfungen in der neuen, eben erst erschlossenen Welt.«
    Ewda Nal verstummte.
    »Aber wie konnte Kart San diesen Ausdruck erreichen?« fragte Weda Kong. »Vielleicht durch die zusammengezogenen schmalen Augenbrauen, den ein wenig vorgeneigten Hals und den unbedeckten Nacken. Ganz erstaunlich sind die Augen, erfüllt von der dunklen Weisheit der uralten Natur. Und das Merkwürdigste ist die Harmonie zwischen der unbekümmerten graziösen Kraft und dem beunruhigenden Wissen.«
    »Schade, daß ich es nicht gesehen habe!« sagte Dar Weter. »Ich muß wirklich einmal in den Palast der Geschichte gehen. Die Farben des Bildes sehe ich deutlich vor mir, aber die Haltung des Mädchens kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Die Haltung?« Ewda Nal blieb stehen.»Hier haben Sie die ›Tochter Gondwanas‹.« Sie nahm das Handtuch von den Schultern, hob den angewinkelten rechten Arm hoch und beugte sich, Dar Weter halb zugewandt, ein wenig zurück. Eines ihrer langen Beine stellte sie einen Schritt vor und blieb bewegungslos stehen.
    Alle schauten sie voller Bewunderung an.
    »Das habe ich Ihnen gar nicht zugetraut, Ewda!« rief Dar Weter aus. »Sie sind ja gefährlich wie ein halb gezückter Dolch!«
    »Schon wieder ein mißglücktes Kompliment, Dar!« sagte Weda lachend. »Warum nur ›halb‹ und nicht ›ganz‹?«
    »Er hat völlig recht«, meinte lächelnd Ewda Nal, die wieder sie selbst war. »Eben doch nicht ganz. Unsere neue Bekannte, die bezaubernde Tschara Nandi, gleicht einem gezückten, blitzenden Dolch, um mit den poetischen Worten Dar Weters zu sprechen.«
    »Ich kann nicht glauben, daß Ihnen jemand vergleichbar ist«, ertönte hinter einem Felsen eine etwas heisere Stimme.
    Ewda Nal entdeckte als erste das kurzgeschnittene rotblonde Haar und die blaßblauen Augen, die mit einem solchen Entzücken auf sie blickten, wie sie es noch bei keinem anderen wahrgenommen hatte.
    »Ich bin Ren Boos«, sagte der Rotblonde verlegen und trat hinter dem großen Felsen hervor. Er war von kleiner, zierlicher Statur.
    »Wir haben Sie gesucht.« Weda nahm den Physiker bei der Hand. »Hier, das ist Dar Weter.«
    Ren Boos errötete, wodurch seine Sommersprossen sichtbar wurden, die sein Gesicht und sogar seinen Hals über und über bedeckten.
    »Ich habe mich da oben zu lange aufgehalten.« Ren Boos zeigte auf einen steinigen Abhang. »Bei dem alten Grabhügel.«
    »Ein berühmter Dichter aus uralter Zeit liegt da begraben«, erklärte Weda.
    »Ich fand eine Inschrift. Hier ist sie.« Der Physiker zog eine Metallfolie hervor, fuhr mit einem kleinen Lineal darüber, und auf der matten Oberfläche traten vier Reihen blauer, Zeichen hervor.
    »Oh, europäische Buchstaben! Diese Schriftzeichen waren vor Einführung des linearen Weltalphabets in Gebrauch. Sie wirken plump und sind aus den noch älteren Piktogrammen entstanden. Ich kann diese Sprache.«
    »Bitte, Weda, lesen Sie es uns vor!«
    »Einen Augenblick Ruhe!« forderte sie, und alle ließen sich gehorsam auf den Felsen nieder.
    Dann las Weda vor.
    »Im Raume verlöschen, versinken in Zeiten
    Gedanken, Taten, Träume und Schiffe.
    Ich aber trage wandernd in Weiten
    der Erde schönste Lockung mit sicherem Griffe.«
    »Das ist großartig!« Ewda Nal richtete, sich kniend auf. »Ein Dichter von heute könnte die Größe der Zeit nicht treffender besingen. Ich möchte wissen, welche Lockung der Welt er für die schönste hielt und mit auf die Reise nahm.«
    In der Ferne tauchte ein Boot aus durchsichtigem Kunststoff auf, in dem zwei Personen saßen.
    »Das ist Miiko mit Scherlis, einem der hiesigen Mechaniker. Ach nein«, berichtigte sich Weda, »das ist ja

Weitere Kostenlose Bücher