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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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zernagen, als plötzlich eine Erinnerung in ihr aufflackerte.
    „… das Wissen allein macht aus dir noch keine Heilerin. Die Namen und Verwendungszwecke von Pflanzen kann man bald erlernen, doch nicht jedem ist es gegeben, Menschen gesund zu machen.“
    „Und ich? Habe ich die Gabe zu heilen?“
    „Hätte ich dich zu meiner Nachfolgerin bestimmt, wenn dem nicht so wäre?“
    Niemals hätte Enva ein solches Vertrauen in sie gesetzt, wäre sie nicht tatsächlich zur Heilerin geboren worden. Irgendwo musste diese Gabe in ihr schlummern, die mehr war als Wissen und entschlossenes Handeln. Sie musste nur danach suchen.
    Ihr Körper wurde weich, als sie die Enge der Hütte, den Verwesungsgestank und die zornigen Menschen weit hinter sich ließ. Langsam versank sie im bleiernen Schlaf des Jungen, so wie ein Stein in tiefem Wasser. Dort, in der schwarzen Bodenlosigkeit, glaubte sie ihn erkennen zu können: Sein Geist war kaum mehr als das Glimmen einer verlöschenden Kerze. Behutsam nahm sie ihn mit sich, während sie durch den lähmenden Nebel des Schlafschwammes tauchte und schließlich die Oberfläche durchbrach.
    Mit einem tiefen Atemzug löste sich Reeva aus ihrer Trance. Die plötzliche Helligkeit und der Lärm ließen sie frösteln, und ihre neu gewonnene Ruhe verschwand. Mit eisigem Schreck erkannte sie, dass der Patient immer noch dalag wie tot: Es gab nichts mehr für sie zu tun. Als sie sich jedoch verzweifelt befahl, den Schwamm loszulassen, gehorchten ihre Hände nicht; immer noch umklammerten sie ihn wie einen letzten Halt, zitternd vor Anspannung …
    Waren es tatsächlich ihre Hände, die so zuckten? Oder war es das Gesicht des Jungen, auf das sie den Schwamm presste? Mit einem leisen Aufschrei warf Reeva den Weckschwamm von sich und berührte den Patienten an der Wange – und da, endlich, schlug er die Augen auf.
     
    ***
     
    Enva kehrte erst am folgenden Nachmittag zurück. Ihr Gesicht war grau vor Müdigkeit; die Geburt war schwer gewesen, und sie hatte lange um das Leben des Kindes bangen müssen. Zur Sicherheit war sie die Nacht über am Wochenbett der Frau geblieben, doch als am Morgen alles in bester Ordnung war, hatte sie die junge Mutter in der Obhut ihrer Nachbarinnen zurückgelassen.
    Sobald sie das Dorf betrat, eilten mehrere aufgeregte Frauen auf sie zu und führten sie unter lautem Geschnatter zu einer der Hütten. Enva konnte nicht alles von dem wirren Wortschwall verstehen, doch die freundlichen Blicke der Bauersfrauen beruhigten sie etwas. Im Innern der Hütte fand sie Reeva, die eine frische Amputationsnaht untersuchte – und da begriff Enva auf einen Schlag alles.
    „Ich wusste, dass eine Aufgabe in diesem Dorf auf dich warten würde, die du allein bewältigen musstest“, murmelte sie. „Nur was es sein würde, konnte ich nicht erkennen.“
    „Und sieht die Wunde nicht gut aus, Enva? Verheilt sie nicht wunderbar?“
    „Ja, meine Tochter“, erwiderte die Greisin und strich über den schmalen Rücken des Mädchens. Und dann, noch etwas leiser, fügte sie hinzu: „Ich bin stolz auf dich. Alles, was ich in dir gesehen habe, hat sich bewahrheitet: Du bist eine Heilerin.“
     
    ***
     
    Einige Tage später setzten sie ihre Wanderung fort. Sie hatten sich länger in dem Dorf aufgehalten als üblich, doch Reeva wollte nicht eher gehen, bis sie ganz sicher sein konnte, dass ihr Patient das Schlimmste überstanden hatte. Auch am Tag des Aufbruchs ließ sie es sich nicht nehmen, noch einmal nach dem Jungen zu schauen; doch nach diesem letzten Besuch wusste sie tief in ihrem Innern, dass sie gute Arbeit geleistet hatte.
    Die Alte und das Mädchen wanderten unter einem grau verhangenen Himmel dahin. Es wurde rasch kühler, und der Wind zerrte an ihren Kleidern. Reeva wickelte sich fester in ihren Umhang und duckte sich, als eine Böe ihr das Haar ins Gesicht peitschte. Obwohl sich ihre Abreise verzögert hatte, war es erst kurz nach Mittag; nun aber wurde der Himmel so schwarz, als wäre es bereits Nacht. Reeva, die außerdem zum Schutz vor dem Sturm die Augen fast völlig zusammengekniffen hatte, konnte kaum mehr den Pfad vor ihren Füßen erkennen; halbblind stolperte sie hinter Enva her.
    Dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Wahre Sturzbäche gingen über sie nieder, und die Tropfen schienen wie Kieselsteine auf sie herabzuprasseln, so sehr schmerzte es auf Kopf und Schultern. Reeva streckte eine Hand aus, um einige davon zu fangen – ungläubig starrte sie auf die riesigen

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