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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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Vorräte zu horten. Neben den großen Mengen von geräuchertem Fleisch und Fisch sammelte sie jetzt auch Pilze, die sie von den Zeichnungen aus Envas Buch kannte, sowie Nüsse, Beeren und andere wilde Früchte des Waldes.
    Die säuberlich abgeschabten und gewässerten Häute von erlegten Hasen spannte sie vor ihrer Höhle zum Trocknen auf. Danach rieb sie diese mit der aufgekochten Hirnmasse der Tiere ein, machte sie durch kräftiges Dehnen und Durchwalken geschmeidig und durch Räuchern wasserfest. Bald kamen die so entstandenen Decken auch in Verwendung, denn die spätsommerliche Milde hatte sich endgültig verabschiedet. In den Nächten war es jetzt oft schon sehr kühl, was in Reeva wieder jene seltsame Furcht heraufbeschwor und sie zu immer neuem Eifer anstachelte. Zusätzlich zum Nahrungsvorrat stapelte sie nun auch Holzscheit um Holzscheit an der Rückwand der Höhle auf und rackerte sich dafür stundenlang mit der Axt ab. Bald erschienen Blasen auf ihren Handflächen, doch Reeva gab nicht auf, bis sich schließlich harte Haut und Schwielen gebildet hatten und sie nichts mehr spürte.
    Während einige Vorräte immer mehr anwuchsen, gingen jedoch andere Dinge zur Neige. Zum Glück hatten Reeva und Enva genug Salz von ihrer Wanderung mitgebracht, doch die Mehlvorräte waren irgendwann endgültig erschöpft. Und an dem Tag, an dem das Mädchen das allerletzte Brot buk, begegnete ihm zum ersten Mal der Fuchs.
     
    ***
     
    Er war klein und schmal, und die Lunte, die eigentlich buschig sein sollte, wirkte eigenartig dünn. Auch das rostrote Fell war nicht so dicht, wie man es zu dieser Jahreszeit erwartet hätte, sondern struppig und stumpf. Das alles konnte Reeva gut erkennen, denn als sie am frühen Abend vor ihrer Höhle saß und das noch warme Brot verspeiste, kam er nahe an sie heran. Eigentlich zu nahe, denn bisher hatten Füchse sie stets gescheut …
    Reeva ließ die Hand, in der sie das Brot hielt, sinken. Ganz still saß sie da, den Blick fest auf den Fuchs geheftet, und fragte sich, wann er wohl endlich ihren Menschengeruch wahrnehmen und fliehen würde. Doch nichts dergleichen geschah: Das Tier ließ sich genau in der Mitte zwischen den schützenden Bäumen und Reevas Höhle nieder und schaute das Mädchen an.
    Verwundert schüttelte Reeva den Kopf, schob den Felsbrocken vor dem Eingang beiseite und kroch in das Innere ihrer Höhle. Als sie einige Zeit darauf wieder ins Freie spähte, war der Fuchs verschwunden.
    In den nächsten Tagen sah Reeva den Fuchs immer wieder zwischen den Baumstämmen hindurchblitzen, während sie auf dem Platz vor ihrer Behausung arbeitete: Sie walkte eine aufgespannte Tierhaut durch, und eine schwarze Schnauze lugte aus dem Unterholz hervor. Sie fertigte einen neuen Pfeil an und glaubte ein leises Kläffen zu hören. Als sie vom Fischfang zurückkehrte, verschwand eine Schwanzspitze im Gebüsch, und sie musste erkennen, dass die Tierhaut angenagt worden war. Und schließlich, sie hackte gerade Holz, tauchte der Fuchs abermals auf und sah ihr unverwandt zu. Langsam wurde Reeva sein Verhalten unheimlich. Es war nicht normal, dass ein solch scheues Waldtier ständig die Nähe eines Menschen suchte. Es sei denn …
    Das Mädchen ließ die Axt fallen und wich ein paar Schritte zurück, bis es gegen die Pfosten vor seiner Höhle stieß; die Augen des reglosen Fuchses folgten ihm. Erschrocken starrte Reeva ihn an: Sie hatte eine Erklärung für sein Verhalten gefunden. In ihrem Kopf regte sich die Erinnerung an etwas, das Enva ihr einmal gesagt hatte:
    „Zunächst verändert sich das Wesen des Tieres: Es kann aggressiv, bissig und wie von einer rasenden Wut befallen sein; vielleicht ist es aber auch ungewöhnlich still – oder zutraulich … Danach kommen Lähmungen und Schaum vor dem Maul, gefolgt vom sicheren Tod.“
    Das Mädchen klatschte in die Hände, zischte und rief: „Lauf weg! Verschwinde von hier, hörst du?“ Nur langsam wandte sich der Fuchs um. Selbst als er Reeva die Hinterseite zugekehrt hatte, drehten sich seine spitzen Ohren doch so zurück, dass er jede ihrer Bewegungen wahrnehmen konnte. Gemächlich verschwand er im Schatten der Bäume; dabei zog er seinen linken Hinterlauf nach, als wäre er gelähmt …
    Tollwut. Reeva wusste, was das bedeutete: Wenn sie nichts gegen das ständige Auftauchen des Fuchses unternahm, würde er sie früher oder später beißen, und das Gift der Krankheit würde auch durch ihre Adern fließen. Ihre einzige Möglichkeit war,

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