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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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Öffnung? Ihr Herz raste, und sie wusste: Viel länger würde ihre Lunge diesem Druck nicht mehr standhalten. Schwindel erfasste sie, ließ das eisiggrüne Wasser und die bunten Funkenregen um sie herumwirbeln … bis ihre Hände schließlich doch den Rand des Eisloches erfühlten.
    Reeva durchbrach die Wasseroberfläche. Hustend und wie gelähmt vor Kälte hatte sie mittlerweile keine Hoffnung mehr, sich jemals ans Ufer retten zu können. Nachdem das Eis unter ihren Fingern jedoch immer wieder zersplittert und sie selbst im Wasser dahingetrieben war, fühlte sie plötzlich Boden unter ihren Füßen.
    Später konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie sie sich aus dem See gehievt hatte. Nur langsam kehrten ihre Sinne wieder zurück, und sie begriff, dass sie so schnell wie möglich zur Höhle gelangen musste, wenn sie nicht erfrieren wollte.
    Woher hatte sie noch die Kraft, sich bis nach Hause zu schleppen, die durchnässten Kleider auszuziehen und ein Feuer zu entfachen? Auch das vermochte sie später nicht zu sagen. Kaum hatte sie ihr Lager erreicht, verlor sie das Bewusstsein.
     
    ***
     
    Reeva lag im Fieber. Sie schwamm auf einer Welle aus Hitze und Schmerzen dahin, irgendwo zwischen Wachen und Besinnungslosigkeit. Ab und zu drang ein Winseln an ihr Ohr, dann berührte die kalte Schnauze des Fuchses sie an der fieberheißen Wange: kalt wie Schnee, kalt wie Eis … Grellweiß erstreckte sich plötzlich wieder die Eisdecke vor ihren Augen, sie hörte das scharfe Knacken, spürte das Wasser über ihren Kopf hinwegströmen; nur war es diesmal nicht kalt, sondern glühend heiß … Und wieder ertrank Reeva, wurde Eins mit dem grünen Wasser und der Starre des Eises.
    Schreiend fuhr sie aus dem Fiebertraum hoch und wurde sofort von einem Hustenanfall geschüttelt. Entsetzlicher Durst quälte sie, doch sie konnte kaum den Krug an ihre Lippen heben. Nach wenigen Schlucken wurde sie erneut von Husten gepackt, und das Wasser ergoss sich über den Boden. Reeva fiel auf ihr Lager zurück. Obwohl jeder ihrer mühsamen Atemzüge schmerzte, sank sie erneut in einen Schlaf, der keine Erholung brachte und keine Erlösung.
    Als sie schweißgebadet abermals erwachte, zitterte sie am ganzen Körper, und ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander. Immer noch verwirrte das Fieber ihre Sinne, aber sie waren doch klar genug, um die Bedrohlichkeit der Situation zu erkennen.
    Ihr Herz pochte heftig, als sie sich langsam aufsetzte; erst nach mehreren Anläufen schaffte sie es, sich auf ihre geschwächten Beine zu stellen. Einzig von ihrer Willenskraft aufrecht gehalten, taumelte sie zur längst erloschenen Herdstelle und entfachte ein kleines Feuer, über dem sie einen Kessel voll Wasser erhitzte. Sie griff nach oben und riss einige Kräuter von den gespannten Schnüren; dabei regneten auch andere getrocknete Blätter auf sie nieder und wurden unbeachtet auf dem Boden zertreten, während sie einen Kräutersud kochte.
    Ich werde nicht sterben. Reeva schöpfte etwas von dem Trank in einen Becher und verbrannte sich an der heißen Flüssigkeit beinahe die Zunge. Es fiel ihr schwer, die bittere Medizin zu schlucken, doch sie zwang sich, den Becher vollkommen zu leeren. Dann legte sie noch einige Holzscheite aufs Feuer, bis die Flammen hoch aufloderten. Während sie erschöpft zu ihrer Schlafstätte zurückhinkte und sich in mehrere Felldecken wickelte, wurde sie nur von einem einzigen Gedanken beherrscht: Sie würde dieses Fieber besiegen.
     
    ***
     
    Eine Weile sah es so aus, als wäre es letztendlich doch die Krankheit, die die Oberhand gewinnen sollte. In den nächsten Tagen verschlechterte sich Reevas Zustand noch, sodass sie schließlich kaum mehr etwas von ihrer Umwelt wahrnahm. Zusätzlich kehrte immer wieder die Erinnerung an den Sturz ins Eiswasser zurück, die vom Fieber grausam verzerrt wurde: Die Höhle, die dem Mädchen einst wie ein sicheres Nest vorgekommen war, wurde ihm in der Zeit dieser Fieberträume zum Gefängnis. Weder schlafend noch vollständig wach starrte Reeva an die Höhlendecke, die sich langsam auf sie herabzusenken schien … Und nun die Wände – regten sie sich nicht? Rückten sie nicht Stück für Stück auf sie zu, sodass der Raum immer enger und die Luft bereits knapp wurde?
    Dann konnte es passieren, dass Reeva entsetzt die Hände gegen die Felswand neben ihrer Schlafstätte stemmte, um diese daran zu hindern, sie zu zermalmen. Manchmal rollte sie sich aber auch unter ihrer Decke zusammen,

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