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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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abgehackten Sätzen hervorstieß: „Bitte folge mir … Es ist der Prinz. Schnell!“
    „Der Prinz? Was ist mit ihm?“, fragte Reeva verstört, doch die Magd schüttelte den Kopf.
    „Keine Zeit! Hier, nimm das – und nun komm!“
    Sie reichte dem Mädchen ein wollenes Umschlagtuch und hatte auch schon das Zimmer verlassen. Reeva blieb nichts anderes übrig, als auf bloßen Füßen hinter der Dienerin herzulaufen, die bereits bis zum Ende des spärlich erleuchteten Flurs gelangt war. Noch ehe sie die Gemächer des Prinzen ganz erreicht hatten, konnte das Mädchen laute Stimmen hören: Die hohe Tür stand einen Spalt breit offen, und ein Streifen Licht ergoss sich über den Steinboden.
    Reeva spähte durch die schmale Öffnung in das Zimmer, in dem sich ungewöhnlich viele Menschen aufhielten. Wie Insekten um ein Licht flatterten mehrere Dienstboten um den Prinzen herum, trauten sich jedoch nicht zu nahe an ihn heran. Reeva brauchte nur einen Augenblick, um zu erkennen, warum sie so in Aufruhr waren: Der Prinz schien einen furchtbaren Wutanfall zu haben; wie ein wildes Tier lief er umher und brüllte dabei die verschreckten Diener an. Einmal ergriff er sogar einen Krug, der auf einem kleinen Tischchen stand, und schmetterte ihn gegen die Wand, sodass Scherben und Wassertropfen zu Boden prasselten. Eine Schale folgte und sauste genau durch den Türspalt, hinter dem Reeva gerade noch zur Seite springen konnte.
    „Richtet das meinem Vater aus“, brüllte der Prinz, und die Dienstboten wichen noch etwas weiter zurück. „Und sagt ihm gleich, dass ich nicht sein Nachfolger sein werde. Ich kann nicht König werden, nicht so! Erzählt ihm das gefälligst!“
    Polternd fiel das Tischchen um, als er mit dem Fuß dagegenstieß und es mit einem weiteren Tritt aus dem Weg räumte. Dann setzte er sein wildes Hin- und Herlaufen fort.
    „Majestät, beruhigt Euch. Ich bin sicher, der König wird Euch morgen empfangen und mit Euch über diese Dinge –“, wagte sich einer der Diener vor, doch er wurde sofort vom Prinzen unterbrochen.
    „Nein, ich werde nicht mit ihm darüber sprechen! Weder morgen, noch irgendwann! Und nun lasst mich alleine. Es ist genug. Genug! “
    Abrupt drehte er sich zum Fenster und wandte den aufgeregten Dienstboten den Rücken zu. In diesem Moment fühlte Reeva einen festen Schubs, sodass sie ins Zimmer stolperte. Als sie sich nach der Magd umschaute, war diese bereits verschwunden, und auch die anderen Diener hatten es plötzlich sehr eilig, den Raum zu verlassen. Die Tür fiel zu, und Reeva war mit dem Prinzen alleine.
    Einen Moment lang herrschte Stille, die nur von den schnellen Atemzügen des Jungen unterbrochen wurde. Reeva trat einen Schritt auf ihn zu und zwang sich, möglichst ruhig zu klingen. Mit leiser Stimme fragte sie: „Möchtest du mir erzählen, weshalb du so zornig bist?“
    Der Prinz wirbelte herum, seine Augen blitzten. „Was hast du hier zu suchen? Verschwinde!“, fuhr er sie an, und als sie nicht reagierte, tobte er: „Hast du nicht verstanden? Du sollst mich alleine lassen! Nicht einmal du darfst dich meinen Anweisungen widersetzen!“
    Erneut begann er damit, quer durch den Raum zu stürmen und allem einen Tritt zu versetzen, was ihm dabei im Weg stand. Schweigend wartete Reeva ab.
    Nach einer Weile richtete der Prinz wieder seinen wilden Blick auf sie. „Warum bist du heute nicht gekommen? Ich habe den ganzen Abend lang gewartet. Du hast meinen Befehlen gefälligst Folge zu leisten!“
    „Du hast es mir nicht befohlen“, erwiderte Reeva.
    „Aber du wusstest, dass ich dich bei mir haben wollte, verflucht!“, donnerte der Prinz, machte einen Satz auf sie zu und packte sie unsanft an den Schultern.
    „Lass mich los.“ Es war weniger eine Bitte als eine ruhige Aufforderung, und sofort zog der Junge seine Hände zurück. Reeva konnte sehen, dass sie vor Wut zitterten.
    „Fürchtest du mich denn gar nicht?“, fragte er heftig.
    „Nein.“
    „Das solltest du aber. Weißt du, wem der Wald einmal gehören wird, in dem du gewohnt hast? Mir! Ich bin der Thronfolger, der zukünftige König; ich werde einmal über sehr viel Macht verfügen. Du solltest Angst vor mir haben.“
    Erstaunt schaute Reeva ihn an. Sie hatte noch nie etwas derart Merkwürdiges gehört – dass all die Pflanzen und Tiere, die so wild und frei im Wald lebten, jemandem gehören sollten. Immer noch ohne die Stimme zu erheben, begann sie zu sprechen: „Ich habe Angst vor vielen Dingen: vor dem Winter

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