Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest
dieser Jahre haben Sie nicht einmal versucht, etwas über Ihren Onkel herauszufinden?«
In diesem Moment ärgerte er sich über Betsy Alden. »Ich benehme mich vielleicht wie ein Idiot, aber ich verfüge trotzdem über eine durchschnittliche Intelligenz, Miss Alden. Mein Onkel hat seinen Keller urplötzlich verlassen. Und wie viele High School-Lehrer entwickeln sich denn zu internationalen Finanzfachleuten?«
»Er hat also etwas entdeckt, das ihm anderen gegenüber einen Vorteil verschaffte?«
»Er war anderen Menschen gegenüber im Vorteil, und deshalb verschenkte er viel von dem Geld. Vielleicht hatte er Gewissensbisse. Zumindest fühlte er sich dadurch besser.«
Sie nickte wissend. »Charla ist versessen auf den Brief, das ist doch offensichtlich, oder nicht?«
»Aber sie kann doch nicht - ich bekomme ihn erst in einem Jahr.«
»Mr. Winter, es steht schon dafür, ein Jahr zu opfern, wenn man dadurch erfährt, wie es einem kleinen Mann gelingen konnte, Charla und ihre Gruppe zu terrorisieren, sie zu schröpfen und mit fünfzig Millionen auf der Kante zu sterben. Und am Ende dieses Jahres hat sie Sie so an sich gefesselt, daß Sie ihr den Brief ungeöffnet überreichen und dabei noch vor Freude wiehern, weil Sie ihr einen kleinen Gefallen erweisen können.«
»Sie haben ja eine schöne Meinung von mir.«
»Ich kenne Charla und ihre Methoden.«
»Welche Rolle spielen Sie dabei? Was wollen Sie? Wollen Sie den Brief?«
»Ich will nur ein Druckmittel, das können Sie mir glauben. Es ist mir gleichgültig, wie ich dazu komme, aber ich möchte Charla zwingen, es so einzurichten, daß ich wieder zurück zu meiner Arbeit kann, wo ich hingehöre. Sie hat auf mich Druck ausgeübt.« Sie bohrte Kirby den Finger in die Brust. »Wenn es mir durch Sie gelingt, Charla für immer loszuwerden, dann wäre ich sehr glücklich und würde Ihnen gleichzeitig einen Gefallen tun, wenn ich Sie davor bewahre, in einem Sumpf zu versinken.«
»Hassen Sie sie so sehr?«
»Haß ist etwas Komplexes. Hier handelt es sich um ein einfaches Gefühl: Verachtung. Sie ist im Grunde nicht schwer zu verstehen. Ihr einziges Motiv ist Gier. Gier nach Geld, nach Macht, nach schönen Dingen, nach Bewunderung, nach sinnlichem Vergnügen. Sie genießt es, Macht auszuüben, Winter. Das gleiche gilt für Joseph, aber sie ist der Boss des Teams.«
»Er ist Ihr Onkel?«
»Kaum. Sie bezeichnet ihn als ihren Bruder. Aber er ist so etwas wie ein Stiefschwager, also nicht unbedingt verwandt. Sie wirken jedoch so bezaubernd, und das läßt sie zu einem tödlichen Team werden.«
»Ich werde das Gefühl nicht los, daß Sie alles zu dramatisch sehen. Ich kann einfach nicht glauben, daß sie ...«
»Warten Sie einen Augenblick. Mir ist gerade etwas eingefallen. Sie sind sein einziger Blutsverwandter. Das stand in den Zeitungen, daher muß Charla es wissen. Sie bekommen daher, abgesehen von dem, was im Testament vorgesehen ist, auch seine persönlichen Papiere und Aufzeichnungen?«
»Vermutlich. Daran habe ich noch nicht gedacht.«
»Charla wird bestimmt daran denken. Sie hat schon daran gedacht. Sie dürfen ihr unter keinen Umständen irgend etwas geben.«
»Wofür halten Sie mich?«
»Werden Sie nicht zornig. Wir wissen, daß es etwas gibt, das sie unbedingt haben will. Wir müssen also herausfinden, was es ist. Sobald wir das wissen, können Sie entscheiden, ob Sie es ihr verkaufen wollen, was es auch sein mag. Falls ja, würde ich den Verkauf gern für Sie abwickeln; ich kann mehr für Sie herausholen als jeder andere.«
»In letzter Zeit geht mir alles zu schnell.«
»Ich bin wesentlich härter als Sie, Kirby Winter. Ich komme aus Charlas Schule. Sie ziehen ins ›Elise‹. Wenn Sie jetzt zögern, so ändern sie vielleicht ihre Taktik.« Sie kritzelte eine Adresse und eine Telephonnummer auf ein Stück Papier und gab es ihm. »Wenn Sie Genaueres wissen, kontaktieren Sie mich hier. Es ist ein kleines Appartement, das einem Freund gehört. Er fährt jedes Jahr einmal nach New York und dreht dort Werbespots, damit er es sich leisten kann, hier zu leben und Stücke zu schreiben. Er ist unsterblich in mich verliebt. Sie müssen mich nicht mögen, Kirby, und Sie müssen mir nicht vertrauen. Was haben Sie bis jetzt zu verlieren? Und nennen Sie mich Betsy.«
»Bis jetzt verliere ich nichts. Höchstens den Verstand, aber das ist nicht wichtig.«
»Gehen Sie auf alles ein, und seien Sie überzeugend. Sobald Sie herausfinden, worauf sie aus sind, können
Weitere Kostenlose Bücher