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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Bonny Lee. Wenn zu viele unerklärliche Dinge passieren, wird am Ende jemand auf die Idee kommen, daß ...«
    Sie knöpfte die Bluse zu und schüttelte den restlichen Sand aus den Haaren. »Du kennst die Menschen nicht, Kirby. Wenn sie für etwas keine Erklärung haben, dann erfinden sie eine, die ihnen gefällt. Wenn einer plötzlich wie ein Vogel fliegen kann, dann wird er bestimmt erklären, daß das vom gesunden Leben und der guten Luft kommt.« Sie öffnete die Tasche und trug Lippenstift auf. »Gib mir bitte die goldene Uhr für einen Augenblick, Schatz.«
    »Leider nein. Wir steigen ins Auto und verschwinden von hier.«
    »Fängst du jetzt an herumzukommandieren?«
    Sie stiegen in den kleinen Sunbeam. Die Ausfahrt des Parkplatzes führte nicht auf die verstopfte Straße hinaus. Noch bevor sie den Parkplatz verlassen hatten, blieb sie mit laufendem Motor stehen und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
    »Was ist los, Bonny Lee?«
    »Mir ist etwas eingefallen. Laß die Hände von der Uhr, während wir fahren. Das Auto würde augenblicklich stehenbleiben, du aber nicht. Dann könnte ich dich von der Windschutzscheibe und dem Armaturenbrett kratzen.«
    »Äh - vielen Dank. Wie hast du überhaupt das ganze Durcheinander zustandegebracht?«
    »Das erzähle ich dir später.«
    »Wohin fahren wir?«
    »Wir brauchen einen sicheren Platz. Ich breche meine wichtigste Grundregel. Kein Mann sollte je meine Wohnung betreten. Das wissen alle. Du kommst ungesehen hinein, ja?«
    »Wie?«
    »Manchmal bist du wirklich begriffsstutzig, Schatz.«
    »Ach, natürlich! Entschuldige.«
    »Wie spät ist es?«
    »Zwanzig nach elf.«
    »Vormittag?«
    »Vormittag, Bonny Lee.«

    Sie bewohnte ein Apartment über einer Garage im alten Teil der Stadt, hinter einem stattlichen alten Haus im spanisch-arabischen Stil. Man hatte es in viele kleine Apartments aufgeteilt, und es lebten beinahe ausschließlich alte Damen mit niedrigen Einkommen dort. »Ich komme und gehe zu allen Tages- und Nachtzeiten; dazu kommt noch meine Arbeit! Ich sorge für jede Menge Gesprächsstoff! So belästigen mich wenigstens hier keine Männer. Ich komme mit den Frauen gut aus, zumindest mit den meisten. Sie bringen mir Kuchen und alles Mögliche.«
    Sie erklärte ihm, wie er hineinkam und ließ ihn einen Häuserblock vorher aussteigen. Er wartete zehn Minuten und schlenderte inzwischen auf einem schattigen, überwachsenen Gehsteig durch die schmale, ruhige Straße. An einen Zaun gelehnt vergewisserte er sich, daß er unbeobachtet war und versetzte sich in die rote Welt. Wenn er die Schuhe an den Händen statt an den Füßen trug, konnte er sich leichter bewegen. Er ging zu dem Haus, das sie ihm gezeigt hatte. Auf einem Rasenstück auf der anderen Straßenseite hatte ein Rasensprenger sein bewegungsloses Muster aus schimmernden rosa Tröpfchen in die Luft gezeichnet. Ein kleiner Hund starrte mit aufgestellten Ohren gespannt in eine Baumkrone.
    Kirby ging die Auffahrt entlang. Im Hof saßen drei alte Damen im Schatten eines Sonnenschirms an einem Metalltisch. Ihre Münder standen offen, die Stricknadeln rührten sich nicht. Er trat durch die offene Garagentür und ging rechts die Treppe hoch, wie sie es ihm erklärt hatte. Die Tür mit dem Fliegengitter am oberen Treppenende war schwer wie eine Tresortür. Drinnen wirkte das rote Licht noch bedrückender, aber bei normalem Licht war es bestimmt eine freundliche kleine Wohnung, mit hellen Vorhängen, Korbmöbeln, bunten Teppichen und Kissen. An einer Wand hingen gerahmte Werbefotos von ihr, und er betrachtete sie anerkennend durch den blutroten Nebelschleier.
    Sie saß in dem kleinen Schlafzimmer auf dem Hocker vor dem Schminktisch und hatte die rechte Schulter entblößt und war im Begriff, etwas auf die Hautabschürfung zu schmieren. Ein schmales Bett, dekorative Eisenstäbe vor dem Fenster, ein tiefer Fensterplatz, ein Stuhl aus Bambusrohr, eine Vase mit verwelkten Blumen. Er stand hinter ihr und wollte in ihre Welt zurückkehren, da zögerte er. Es blieben ihm noch fünfzehn Minuten. Zu viel war in zu kurzer Zeit geschehen. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht, damit sie ihre Schulter sah. Er küßte sie auf den Hals. Sie fühlte sich steif und wächsern an, wie poliertes Holz. Er setzte sich auf das Bett, und im ersten Augenblick erschrak er, weil es so hart war. In der roten Welt war alles steif und gab einem Druck nur langsam nach.
    Sie saß aufrecht vor ihm. Ihr Rücken war geschwungen, sie hatte schöne Schultern

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