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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Jahre lang war er allen um Längen voraus gewesen, aber er hatte es für sich behalten. Hätte er die Möglichkeiten, die ihm seine Erfindung bot, offen ausgespielt, dann hätten vielleicht andere ebenfalls in diese Richtung geforscht. Onkel Omar war vermutlich zu dem Schluß gekommen, daß diese Erfindung die Welt in ein Schlachtfeld verwandeln würde, wenn sie an die Öffentlichkeit drang. Kirby begann die Gedankengänge hinter Omars Aktionen zu begreifen. Er hatte die Wogen um seine Spielgewinne geglättet, indem er wiederkam und vorsätzlich einen Betrag verlor, der fast ebenso hoch war, wie der ursprünglich gewonnene. Er war Hobby-Zauberer geworden, damit er eine eventuelle Panne leichter vertuschen konnte. Er war persönlicher Publicity aus dem Weg gegangen und hatte sich hinter seinem großen Reichtum versteckt. Diesen Reichtum hatte er rasch erworben - aber die Öffentlichkeit hat ein schlechtes Gedächtnis, und jeder glaubte, daß Omar Krepps' Vorfahren schon seit Menschengedenken reich gewesen waren.
    Das Zimmer war voll Lärm, Licht und Bewegung. Kirby drehte den silbernen Zeiger gleich wieder zurück und schaltete die Realität aus. Bonny Lees Hand war höher auf ihre Schulter geglitten; sie hatte den Kopf ein wenig gedreht. Das Bett unter ihm war für einen Augenblick weich geworden, bevor es sich wieder in eine harte, jetzt aber körpergerechtere Liegefläche verwandelte.
    Wie war Onkel Omar zu seinem Geld gekommen? Reichtum ist die abstrakte Bezeichnung einer Vielzahl von Aktivitäten: Austausch von Papieren, Unterzeichnen und Ablegen von Schriftstücken, um sie zur richtigen Zeit und am richtigen Ort wieder zur Hand zu haben. Hatte man einmal verstanden, wie der Aktienmarkt funktioniert, dann war es sicher nicht allzu schwierig, die Aktien zu manipulieren. Er konnte sich vorstellen, wie Onkel Omar geschäftig durch eine rote Stunde trabte und die richtigen Aufträge in die richtigen Ablagen schob. Die rote Zeit verhalf ihm zur gleichen Erkenntnis wie nachträgliche Einsicht. Hatte er die Papiere einmal erworben, konnten sie durch Krepps Enterprises leicht verwaltet werden; sobald einmal genügend Geld vorhanden war, vermehrte es sich von allein.
    Aber wenn Omar Krepps gewußt hatte, zu welcher Bedrohung seine Erfindung werden konnte, warum hatte er sie nicht mit ins Grab genommen?
    Vermutlich war es Geltungsbedürfnis. Jemand mußte es erfahren. Onkel Omar hatte Kirby offenbar schon vor langer Zeit dazu auserkoren, seine phantastische Macht einmal von ihm zu erben und hatte ihn für fähig gehalten, sie richtig zu nützen. Er hatte dafür gesorgt, daß Kirby sich eine akademische Bildung aneignete, die eine umsichtige Nutzung der Erfindung wahrscheinlicher machte. Kirby verstand jetzt immer besser, warum sein Onkel darauf bestanden hatte, daß er bestimmte Vorlesungen belegte, die ihm damals so praxisfremd vorgekommen waren. Soziologie, Psychologie, Philosophie, antike Geschichte, vergleichende Religionswissenschaften, Ethik und Logik, Anthropologie, Archäologie, Sprachen, Semantik, Ästhetik. Dann sorgte er dafür, daß Kirby sein Urteilsvermögen elf Jahre lang unter Bedingungen schärfte, die kein Konkurrenzdenken erforderten; Verschwiegenheit, Zurückhaltung, Unverbindlichkeit und die Vermeidung fester Bindungen wurden zu Lebensgewohnheiten.
    Es war die ideale Grundlage für den nächsten Eigentümer einer derart absoluten Macht. Omar Krepps hatte dadurch das Risiko, daß die Erfindung für gewalttätige, willkürliche, leichtfertig oder habsüchtige Zwecke eingesetzt wurde, minimiert. Der neue Besitzer wurde zur Verantwortlichkeit erzogen, die Erfindung zum Besten der Menschheit zu verwenden.
    Wenn es so war, warum hatte ihm Onkel Omar die Situation nicht schon vor langer Zeit erklärt? Vielleicht war er der Meinung gewesen, daß es Kirby an Kraft und Entschlossenheit fehlte, vielleicht hatte er die Geduld mit Kirby verloren; er hatte sogar Mr. Wintermore gegenüber erwähnt, daß sein Neffe ein Einfaltspinsel sei. Nach dem warnenden Herzanfall hatte sich Onkel Omar anscheinend auf den Tod vorbereitet. Er hatte diese eigenartige, willkürliche Situation geschaffen. Zuerst die Uhr und - ein Jahr danach - der Brief. Der Brief bezog sich bestimmt auf die Uhr. Was wäre gewesen, wenn er sie in eine Lade gelegt und dort vergessen hätte? Oder wenn er in einem fahrenden Auto oder Zug oder im Flugzeug mit dem silbernen Zeiger herumspielt hätte? Warum hatte Onkel Omar Kirby und Wilma Farnham darauf

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