Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest
zu einem selbstverständlichen Teil des Lebens geworden; manchmal denkt man an sie, manchmal nicht. Ich akzeptiere die Tatsache, daß ich Beine habe.
Er trat zu Bonny Lee, beugte sich hinunter, legte seine Lippen auf ihren harten Mund und erweckte die Welt zum Leben. Schlagartig waren ihre Lippen warm und weich. Bonny zuckte erschrocken zusammen und stieß einen leisen entsetzten Schrei aus. Ihre braunen Augen wurden schmal.
»Das ist hinterlistig«, flüsterte sie. »Du tauchst plötzlich aus dem Nichts auf, du Gauner! An so etwas kann man sich nicht gewöhnen, Schatz.«
Sie wischte die Finger in einem Papiertaschentuch ab, ging ins Nebenzimmer, schloß die schwere Holztür und verriegelte sie. Dann schmiegte sie sich in seine Arme, küßte ihn zart auf das Kinn und gähnte herzhaft. »Ich bin vollkommen erledigt, Kirby.« Damit schlurfte sie zum Bett, ließ sich darauf fallen, gähnte noch einmal herzhaft und rieb sich die Augen. »Geh ja nicht zum Fenster, sonst sieht dich womöglich noch eine von den Klatschbasen.«
»Ich muß über eine Menge Probleme nachdenken, Bonny Lee.«
Sie schleuderte die Sandalen weg und streckte sich auf dem Bett aus. »Ich kann jetzt nicht denken; zuerst muß ich schlafen. Bist du nicht auch völlig erledigt?«
»Doch, doch.« Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante, beugte sich über sie und küßte sie lang und hingebungsvoll.
Sie kicherte. »Du bist aber nicht so kaputt wie ich.«
»Bonny Lee?«
»Nein, Schatz! Es wäre Talentverschwendung. Bitte laß mich schlafen, dann sehen wir weiter. Du solltest auch schlafen. Warum legst du dich nicht auf die Couch, das wäre sehr beruhigend?«
»Ich sollte nicht meine Zeit mit Schlafen verschwenden, wenn ich soviel ...«
Sie hieß ihn mit einer Handbewegung still sein, biß sich auf die Lippe und sagte: »Gib mir die Uhr, Schatz!«
»Ich glaube wirklich nicht, daß du ...«
»Ich möchte etwas ausprobieren, du Blödmann! Ich werde nichts anstellen, dazu bin ich viel zu müde. Du mußt mir vertrauen, sonst kommen wir zwei nicht sehr weit. Gib sie mir!«
Er zögerte und gab sie ihr schließlich. Sie griff nach der Aufziehwelle. Einen Augenblick später lag sie in vollkommen veränderter Stellung auf dem Bett; die Bewegung war zu schnell erfolgt, als daß sie sichtbar gewesen wäre. Die Uhr lag wenige Zentimeter von ihrer schlaffen Hand entfernt auf dem Bett, ihre Augen waren geschlossen, sie atmete langsam durch den leicht geöffneten Mund. Er sprach sie an, aber sie antwortete nicht. Er schüttelte sie, und sie wimmerte. Als er sie wieder schüttelte, griff sie nach der Uhr. Im nächsten Moment lag sie wieder anders da und war vollkommen nackt. Zuerst war sie angezogen. Im nächsten Augenblick hingen ihre Kleider neben dem Bett in der Luft und fielen zu Boden. Er weckte sie wieder. Sie murmelte und brummte etwas, nahm die Uhr, und schon hatte sie wieder die Stellung gewechselt. Er berührte sie an der Schulter und sie wachte mühelos auf. Ihre Augen waren vom Schlaf leicht geschwollen. Sie gähnte und streckte sich ausgiebig. Mitsamt den Weckversuchen hatte alles nicht mehr als zwei Minuten gedauert.
Sie lächelte ihn an und sagte mit leiser, heiserer Stimme. »Drei Stunden. Köstlich! Jetzt du.« Sie rutschte zur Wand. »Leg dich bequem hin, Schatz, das blöde Bett und das Kissen werden hart wie Stein, und das Gewand wird schwer wie Beton; zieh dich lieber gleich aus.«
Er streckte sich aus und versetzte sich in die rote Welt. Er drehte den Zeiger einmal ganz herum, eine volle Stunde. Wie aus glattem, dunkelrotem Holz geschnitzt saß sie vor ihm, stützte sich auf einen Ellbogen und lächelte ihn an. Er lag in der harten Mulde, die sich durch sein Gewicht im Bett gebildet hatte, und versuchte zu schlafen, aber die Kleider waren drückend schwer. Er stand auf und wollte sie ausziehen, aber sie waren widerspenstig wie dicke Bleifolie. Er schnippte sich in die Welt zurück und zog sich schnell aus, kehrte ihr aber den Rücken zu, denn er war rot geworden; sein Schamgefühl kam mit der für ihn neuen, intimen Vertraulichkeit noch nicht zurecht. Hastig und unbeholfen legte er sich wieder hin, schnippte sich in die rote Welt und versank bald in Schlaf. Plötzlich wachte er auf. Ihr Kopf lag nur wenige Zentimeter entfernt neben ihm auf dem Kissen, und sie sah ihn an.
»Gönn dir noch eine Stunde, Schatz, oder zwei«, flüsterte sie. »Ich kann warten.«
Er kehrte in die rote Welt zurück und schlief wieder ein. Als er aufwachte,
Weitere Kostenlose Bücher