Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Pub übernommen. Vielleicht ist das Ganze ja noch länger her, als du denkst.«
Sam war ratlos. McCracken musste irgendeine Verbindung nach Árd Glen haben, mindestens bis zur Zeit des Mordes an Byrne. Oder war es womöglich andersherum? Vielleicht hatte nicht McCracken Kontakte nach Árd Glen gehabt, sondern Byrne nach Dublin?
»War Byrne vielleicht öfter in Dublin, Mattie? Vielleicht hat er McCracken ja dort irgendwie kennengelernt?«
»Ha! Du hast Byrne nicht gekannt. Das war ein komischer Kauz. Tagsüber ist er auf seinem Hof rumgestreunt, und abends war er hier. Glaube kaum, dass er viel mit Dublin zu schaffen gehabt hat. Aber was hat dieser Mann da mit dem Ganzen zu tun?« Mattie hoffte auf ein bisschen Tratsch.
»Ach, ein Bekannter hat mal seinen Namen erwähnt, das
ist alles. Wahrscheinlich ist gar nichts dran«, erwiderte Sam, aber er wusste, dass Mattie sich keine Sekunde täuschen ließ.
Moran saß an der Theke, nippte an seinem Bier und dachte nach. Er musste versuchen, mit Tess Byrne zu sprechen. Er musste sich heranpirschen, wenn ihre Schwester nicht in der Nähe war. Bis jetzt hatte er immer am falschen Ende angesetzt. Wenn er Tess Byrne zu fassen kriegte, dann würde er aus erster Hand erfahren, was damals eigentlich abgelaufen war.
Kapitel 36
1977
U mringt von Krankenschwestern und Kindern blies Tess die sechzehn Kerzen auf ihrem Geburtstagskuchen aus. Ihr Freund Leroy strahlte über das ganze Gesicht, als er ihr sein Geschenk überreichte: eine Holzschachtel mit Buntstiften. Ständig gingen ihr die Farben aus, und jedes Mal war sie bitter enttäuscht. Leroy war mittlerweile neunzehn Jahre alt und hatte die Anstalt vor sechs Monaten verlassen. Seine Mutter hatte nie wieder nach ihm gefragt, und Cosgrove war ihm bei der Suche nach einer Unterkunft in der Nähe behilflich gewesen. Außerdem hatte er ihm eine Arbeit in der Erwachsenenabteilung der Klinik verschafft. So konnte er den labilen jungen Mann ein bisschen im Auge behalten. Cosgrove fragte sich, ob er wohl Tess in zwei Jahren auf die Erwachsenenstation verlegen musste. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie, wie Leroy, irgendwann einmal zu einem selbständigen Leben in der Lage war. Er hätte sich etwas anderes gewünscht für sie, die im Lauf der Jahre vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ans Herz gewachsen war. Mittlerweile hatten sie begriffen, wie man mit ihr in Kontakt treten konnte, und so war Tess ihnen sogar bei der Versorgung der kleineren Kinder eine Stütze.
Tess wog die Buntstifte in der Hand und sagte mit leiser, kaum hörbarer Stimme »Vielen Dank«. Die Krankenschwestern
waren zu Tränen gerührt, da Tess immer noch kaum sprach. Als sie die Kerzen auf ihrem Kuchen ausblies, wünschte sie sich etwas, das Gleiche wie jedes Jahr: dass sie nach Hause gehen durfte.
Kapitel 37
1981
S eán wartete am Klinikeingang auf seine Schwester, die ihn gleich abholen sollte. Er war froh, dass sie jetzt selbst fahren konnte, denn er war nicht erpicht darauf, dass Dermot ihn in diesem Zustand sah. Seán hatte immer das Gefühl, als könnte Dermot seine Gedanken lesen, und vermied seine Gesellschaft, wo er konnte. Er würde sich unverzüglich an die Arbeit machen. Sobald er wieder bei Kräften war, um den Hof alleine zu bewirtschaften, würde er Dermot den Laufpass geben.
Bei ihrem letztem Besuch hatte ein Arzt mit Kate gesprochen und ihr erklärt, dass Seán eigentlich ein intensives Suchtbekämpfungsprogramm in einer Spezialklinik benötigte, dass aber leider momentan keine Betten frei seien und es keinen medizinischen Grund gab, ihn jetzt, da er wieder halbwegs hergestellt war, länger hierzubehalten. Er würde sie persönlich benachrichtigen, wenn es so weit war, doch in der Zwischenzeit sollte Kate darauf achten, dass er keinen Zugang zu Alkohol hatte und nicht alleine ausging. Der Doktor wies Kate ausdrücklich darauf hin, dass Alkoholismus eine schwere Krankheit war und dass Seán, so gut er im Moment auch aussah, nur einen Schluck zu trinken brauchte, um wieder rückfällig zu werden. Vor Seáns Klinikaufenthalt wäre sie von dieser Aufgabe völlig überfordert gewesen, doch jetzt hatte sie
das Gefühl, als läge das Schlimmste hinter ihnen und ihr Bruder vielleicht wieder der Alte wurde.
Seán empfing seine Schwester mit einem freundlichen Lächeln, doch auf der Fahrt nach Hause verfiel er in Schweigen und sah wieder genau so verschlossen und griesgrämig aus wie immer. Kate traute sich nicht zu fragen, was er
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