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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unbedeckten Partien ihrer Haut nieder und begannen, ihr Blut und ihren Schweiß zu trinken.
    Ein Windstoß fuhr durch den Wald, bewegte die Blätter und schüttelte die letzten Regentropfen von ihnen ab. Sekunden später stand die Luft wieder still. Aber dann war es nicht mehr still; in dem tropfnassen Schweigen war das Knacken brechender Zweige zu hören. Als es verstummte, entstand eine Pause, auf die ein Wirbel sich bewegender Zweige und ein rauhes Keuchen folgten. Eine Krähe krächzte einen kurzen Alarmschrei. Nach einer weiteren Pause setzten die Geräusche wieder ein und bewegten sich auf den Baum zu, unter dem Trisha, den Kopf auf ihrem Arm, schlief.

VIERTER DURCHGANG, ZWEITE HÄLFTE

Sie waren hinter Dads kleinem Haus in Maiden, nur sie beide, saßen in Liegestühlen, die etwas zu rostig waren, blickten über einen Rasen hinaus, der etwas zu hoch war. Die Gartenzwerge schienen sie zu beobachten, lächelten ihr geheimnisvolles, unangenehmes Lächeln aus der Tiefe des wuchernden Unkrauts, das sie umgab. Sie weinte, weil Dad gemein zu ihr war. Er war sonst nie gemein zu ihr, er umarmte sie immer und küßte sie aufs Haar und nannte sie Schatz, aber jetzt war er's, er war gemein, nur weil sie nicht die Kellerklappe unter dem Küchenfenster öffnen, die vier Stufen hinuntergehen und ihm eine Dose Bier aus der Kiste holen wollte, die er dort unten lagerte, wo es kühl war. Sie war so durcheinander, daß sie im Gesicht einen Ausschlag bekommen haben mußte, weil es überall juckte. Ihre Arme auch. »Na, du kleine Ammer, ist das nicht ein Jammer?« sagte er, indem er sich zu ihr hinüberbeugte, und sie konnte seinen Atem riechen. Er brauchte kein weiteres Bier, er war schon betrunken, die Luft aus seinem Mund roch nach Hefe und toten Mäusen. »Warum willst du so 'ne kleine Schisserin sein? Du hast nicht einen Tropfen Eiswasser in den Adern.« Noch immer weinend, aber fest entschlossen, ihm zu beweisen, daß sie doch Eiswasser in ihren Adern hatte - zumindest ein wenig -, stand sie aus dem rostigen Liegestuhl auf und ging zu der noch rostigeren Tür der Kellerluke. Oh, es juckte sie einfach überall, und sie wollte diese Tür nicht öffnen, weil dahinter etwas Scheußliches lauerte - das wußten sogar die Gartenzwerge, man brauchte sich nur ihr verschlagenes Lächeln anzusehen, um das mitzubekommen. Trotzdem faßte sie nach dem Griff; sie hielt ihn mit einer Hand umfaßt, während Dad sie von hinten mit schrecklich fremder Stimme spöttisch aufforderte, sie solle weitermachen, los, los, kleine Ammer, los, Schatz, los, Kleines, mach zu und tu 's endlich.
    Als sie die Klappe hochzog, waren die Stufen in den Keller hinunter verschwunden. Die ganze Treppe war verschwunden. An ihrer Stelle befand sich ein ungeheures pralles Wespennest. Hunderte von Wespen flogen aus einem schwarzen Loch heraus, das sie an das Auge eines Mannes erinnerte, der vom Tod überrascht worden ist... nein, das waren nicht Hunderte, sondern Tausende von Wespen, plumpe, schwerfällige Giftfabriken, die geradewegs auf sie zuflogen. Es war nicht mehr möglich, vor ihnen zu flüchten, sie würden sie alle gleichzeitig, stechen, und sie würde sterben, während sie über ihre Haut krochen, in ihre Augen krochen, in ihren Mund krochen, ihre Zunge mit Gift vollpumpten, während sie auf dem Weg durch ihre Kehle hinunter in ihren Magen waren ...
    Trisha glaubte, sie schreie laut, aber als sie mit dem Kopf an die Unterseite des Baumstamms prallte, Moos und Rindenstücke ihr verschwitztes Haar überschütteten und sie aus dem Schlaf fuhr, hörte sie nur eine Folge kleiner, kätzchenartiger Maunzlaute. Mehr ließ ihre zugeschnürte Kehle nicht zu.
    Im ersten Augenblick war sie völlig desorientiert, fragte sich, warum ihr Bett sich so hart anfühlte, fragte sich, wo sie sich den Kopf angeschlagen hatte ... war es möglich, daß sie tatsächlich unter ihr Bett geraten war? Und ihre Haut kribbelte ganz schrecklich von dem Traum, aus dem sie eben hochgefahren war. O Gott, was für ein gräßlicher Alptraum das gewesen war!
    Als sie sich nochmals ihren Kopf anstieß, kam die Erinnerung zurück. Sie war nicht in ihrem Bett oder auch nur darunter. Sie war im Wald, sie hatte sich im Wald verirrt. Sie hatte unter einem Baum geschlafen, und ihre Haut kribbelte noch immer. Nicht vor Angst, sondern weil ...
    »Weg mit euch, ihr Mistviecher, weg mit euch!« rief sie mit hoher, ängstlicher Stimme und wedelte mit beiden Händen hastig vor ihren Augen herum. Die meisten

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