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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Base losrannte, sowie der Ball in der Luft war, aber Tom Gordon achtete nicht auf ihn,'selbst in der Bewegung bewahrte er seine charakteristische Ruhe, hatte nur Augen für Jason Veriteks Fanghandschuh, der tief hinter der Plate in der äußeren Ecke hing.
    »Gordon holt aus, drei... zwo ... Wurf... und...« Die Menge sagte es ihr, der plötzliche freudige Aufschrei der Menge.
    »Strike! Fehlschlag drei gegeben!« Joe kreischte beinahe. »Du meine Güte, er hat bei drei und zwei einen Curveball geworfen und Strawberry keine Chance gelassen! Die Red Sox besiegen die Yankees mit fünf zu vier, und Tom Gordon erzielt sein achtzehntes Save!« Seine Stimme kehrte in eine normalere Tonlage zurück. »Gordons Mannschaftskameraden sind zum Wurfhügel unterwegs - an ihrer Spitze Mo  Vaughn, der eine Faust in die Luft reckt und den Sturmlauf anführt, aber bevor Vaughn ihn erreicht, macht Gordon rasch die Geste, die alle Fans selbst in der kurzen Zeit, in der er erst der Closer der Sox ist, bereits so gut kennengelernt haben.«
    Trisha brach in Tränen aus. Sie drückte den Ausschaltknopf des Walkmans und blieb dann einfach auf dem feuchten Boden sitzen: ihren Rücken an den Baumstamm gelehnt und die Beine gespreizt, so daß die an einen Hularock erinnernden Fetzen des blauen Ponchos zwischen ihnen hingen. Sie weinte heftiger als sie es in dem Augenblick getan hatte, in dem sie sicher war, daß sie sich im Wald verirrt hatte, aber diesmal weinte sie vor Erleichterung. Sie hatte sich verlaufen, aber man würde sie finden. Davon war sie überzeugt. Tom Gordon hatte das Spiel gerettet, und sie würde auch gerettet werden.
    Noch immer weinend zog sie sich den Poncho über den Kopf, breitete ihn so tief unter dem umgestürzten Baum aus, wie sie glaubte, darunterkriechen zu können, und ließ sich dann nach links sinken, bis sie auf dem Plastikmaterial lag. Das alles tat sie, ohne es recht wahrzunehmen. In Gedanken war sie noch immer in Fenway Park, sah den Schiedsrichter gegen Strawberry auf Strike drei entscheiden, sah Mo Vaughn zum Wurfhügel laufen, um Tom Gordon zu gratulieren; sie glaubte zu sehen, wie Nomar Garciaparra von der Vorstopperposition, John Valentin von der dritten Base und Mark Lemke von der zweiten herantrabten, um das gleiche zu tun. Aber bevor sie ihn erreichten, machte Gordon, was er immer tat, wenn er ein Spiel entschieden hatte: er deutete gen Himmel. Nur ein rascher Fingerzeig nach oben.
    Trisha verstaute den Walkman wieder in ihrem Rucksack, aber bevor sie ihren Kopf auf den ausgestreckten Arm sinken ließ, deutete sie kurz gen Himmel, wie es Gordon tat. Und warum nicht? Schließlich hatte ihr irgend etwas geholfen, diesen Tag zu überstehen, so entsetzlich er auch gewesen war. Und wenn man so deutete, fühlte dieses Etwas sich an wie Gott. Man konnte schließlich nicht auf das Glück oder das unterschwellig Wahrnehmbare deuten. Diese Geste bewirkte, daß Trisha sich besser und schlechter zugleich fühlte - besser, weil es ihr mehr wie ein Gebet erschien, als es richtige Worte getan hätten, schlechter, weil sie sich dadurch zum erstenmal an diesem Tag wirklich einsam fühlte; indem sie wie Tom Gordon gen Himmel deutete, hatte sie das Gefühl, sich auf eine bisher ungeahnte Weise verirrt zu haben. Die Stimmen, die aus den Ohrhörern des Walkmans gedrungen waren und ihren Kopf gefüllt hatten, erschienen ihr jetzt wie Stimmen aus einem Traum, wie Geisterstimmen. Das ließ sie erzittern, denn sie wollte hier draußen nicht an Geister denken, nicht bei Nacht im Wald, nicht im Dunkeln unter einem umgestürzten Baum verkrochen. Sie sehnte sich nach ihrer Mutter. Noch größer war ihre Sehnsucht nach ihrem Vater. Ihr Vater hätte sie hier rausholen können; er hätte sie an der Hand genommen und aus dem Wald geführt. Und wenn sie vor Müdigkeit nicht weiterkönnte, hätte er sie getragen. Er hatte starke Muskeln. Besuchten Pete und sie ihn übers Wochenende, nahm er sie jedesmal am Samstagabend in die Arme und trug sie in ihr kleines Schlafzimmer. Das tat er, obwohl sie schon neun (und für ihr Alter groß) war. Für Trisha war das der liebste Teil ihrer Wochenendbesuche in Maiden. Mit einer Verwunderung, bei der sie sich elend fühlte, entdeckte Trisha, daß sie sich sogar nach ihrem übelgelaunten, ständig meckernden Bruder sehnte. Trisha schlief weinend und mit tiefem Röcheln ein. Die Insekten umschwirrten sie in der Dunkelheit, kamen näher und näher heran. Schließlich ließen sie sich auf den

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