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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Zehenspitzen, hielt sich an einem Baumstamm fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und starrte entzückt zu ihnen hinüber. Biber, die auf ihren Häusern aus Ästen und Zweigen herumlungerten ... und sie dabei beobachteten? Das taten sie vermutlich, vor allem der in der Mitte. Er war größer als die anderen, und Trisha hatte das Gefühl, seine schwarzen Augen wandten sich keine Sekunde von ihrem Gesicht ab. Er schien einen Schnurrbart zu haben, und sein glänzendes Fell war dunkelbraun, um sein plumpes Hinterteil herum fast kastanienbraun. Bei seinem Anblick mußte sie sofort an die Illustrationen in Der Wind in den Weiden denken.
    Schließlich trat Trisha von der Wurzel und watete weiter, wobei sie ihren langen Schatten hinter sich herzuziehen schien. Der Oberbiber (so nannte sie ihn für sich selbst) stand sofort auf, wich zurück, bis sein Hinterteil im Wasser war, und schlug mit seinem breiten Schwanz kräftig auf die Wasseroberfläche. Dieses Klatschen klang in der stillen, heißen Luft unglaublich laut. Im nächsten Augenblick sprangen alle Biber von ihren Asthäusern und tauchten kopfüber ins Wasser. Das war, als sehe man einem Team von Synchron-Kunstspringern zu. Trisha beobachtete sie mit vor ihrem Brustbein gefalteten Händen und einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. Das war einer der erstaunlichsten Anblicke ihres Lebens, und sie begriff, daß sie niemals imstande sein würde, jemandem zu erklären, weshalb das so war - oder daß der Oberbiber wie ein weiser alter Schulmeister oder so ähnlich ausgesehen hatte.
    »Tom, sieh nur!« Sie streckte lachend eine Hand aus. »Siehst du sie im Wasser? Da schwimmen sie! Yeah, Baby!« In dem schlammigen Wasser bildeten sich ein halbes Dutzend Keile, als die Biber mit kleinen Bugwellen von ihren Asthäusern wegschwammen. Dann waren sie fort, und Trisha lief wieder los. Ihr nächster Markierungspunkt war eine besonders große Schilfinsel, die mit dunkelgrünen Farnen überwuchert war. Aus der Entfernung erinnerten sie an wuscheliges Haar. Sie näherte sich der Insel nicht in gerader Linie, sondern in einem seitlich ausholenden Bogen. Die Biber zu sehen war großartig gewesen - total ghetto, um mit Pepsi zu sprechen -, aber sie hatte keine Lust, mit einem tauchenden Tier zusammenzustoßen. Sie hatte genügend Bilder gesehen, um zu wissen, daß selbst kleine Biber große Zähne hatten. Eine Zeitlang schrie sie jedesmal leise auf, wenn Unterwasserpflanzen ihre Beine streiften, weil sie überzeugt war, das sei der Oberbiber (oder einer seiner Schergen), der sie aus seinem Revier vertreiben wollte.
    Die Biberbaue stets rechts von sich lassend, näherte Trisha sich der besonders großen Schilfinsel - und als sie näher herankam, begann ein Gefühl hoffnungsvoller Erregung in ihr zu wachsen. Diese dunkelgrünen Farne waren nicht einfach nur Farne, dachte sie; mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter hatte sie nun schon im dritten Frühjahr hintereinander die Wedel von Jungfarnen gesammelt und glaubte zu wissen, daß dies Jungfarne waren. In Sanford gab es längst keine Jungfarne mehr - seit mindestens einem Monat nicht mehr -, aber von ihrer Mutter wußte Trisha, daß sie weiter landeinwärts viel später Saison hatten, auf sehr feuchten Böden fast bis Juli. Schwer zu glauben, daß aus diesem übelriechenden Fleckchen Erde etwas Gutes kommen sollte, aber je näher Trisha der Schilfinsel kam, desto sicherer war sie sich ihrer Sache. Und Jungfarne waren nicht nur gut; Jungfarne waren köstlich. Sogar Pete, der überhaupt kein einziges grünes Gemüse mochte (außer in der Mikrowelle totgegarte Tiefkühlerbsen der Marke Birds Eye), aß gern Jungfarne.
    Sie ermahnte sich, nicht allzuviel zu erwarten, aber fünf Minuten nach ihrer ersten Vermutung war Trisha sich ihrer Sache sicher. Dort vorn lag keine bloße Schilfinsel; dies war die Jungfarninsel! Allerdings, so überlegte sie, während sie langsam durch jetzt oberschenkeltiefes Wasser weiterwatete, wäre Insekteninsel der bessere Name gewesen. Natürlich gab es hier draußen massenhaft Insekten, aber sie erneuerte ihre Schlammpackung regelmäßig und hatte die Störenfriede bis zu diesem Augenblick ziemlich vergessen. Über der Jungfarninsel schimmerte die Luft jedoch förmlich von ihnen, und dort gab es nicht nur Gnitzen und Mücken, sondern auch eine Gazillion Fliegen. Als Trisha näher kam, konnte sie ihr einschläferndes, irgendwie glänzendes Summen hören.
    Sie war noch gut ein halbes Dutzend Schritte von

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