Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
Vom Netzwerk:
höflich. »Es dauert auch nicht lange.«
    »So sprich schon!« Offenbar überkam den Bauern wieder die gewohnte Ungeduld.
    »Es geht darum: Wenn die Leute im Dorf mein neues Gewand sehen, dann fragen sie sicher, wie ich es mir leisten kann. Schließlich besaß ich noch nie zuvor ein ganz neues. Bisher stammten alle meine Kleider von meiner Mutter oder von Marjann und wurden für mich umgeändert.«
    Zu Fines Erstaunen begriff der Oberlandbauer auf Anhieb, worauf sie hinaus wollte: »Und nun möchtest du vor den Leuten geheim halten, dass du den Taler vom Lohbauern erhalten hast?«
    »So ist es, Herr Vormund. Obwohl ich mir sicher bin, dass er ihn mir in ehrenwerter Absicht gegeben hat.«
    »Natürlich hat er das!« Entschieden schlug der Bauer die Kassette zu. »So viel ist gewiss. Der Lohbauer ist ein anständiger Mann. Also kannst du ruhig in aller Offenheit erzählen, dass das Geld für das Kleid vom Oberlandbauern stammt. Aus einer Spende für dich als Waisenkind.«
    »Es geht weniger um die Leute im Dorf«, entgegnete Fine, »sondern vor allem um die Schwarze Marjann. Sie hat mir eingeschärft, nie und nimmer, wirklich niemals von einem unbekannten Mann Geld als Geschenk zu nehmen. Wirklich nie, unter keinen Umständen. Doch damals auf den Hollerwiesen tat ich es trotzdem. Wenn Marjann nun davon erführe, wäre sie äußerst enttäuscht von mir.«
    Der Oberlandbauer seufzte tief und schien mit letzter Kraft seine Fassung zu wahren. »Nun Kind. Mir scheint das alles zwar unnötig. Aber ich gebe zu: Du solltest die Schwarze Marjann nicht gegen dich aufbringen. Ich traue dieser alten Vettel einiges zu, falls sie von dem Taler erfahren sollte. Sogar, dass sie den Lohbauern auf seinem Hof besucht und gegen ihn hetzt.« Er kratzte sich am Kopf. »Wir brauchen für die Schwarze Marjann also eine Ausrede. Was schlägst du vor?«
    Rasch antwortete Fine: »Ich könnte sagen, dass mein Onkel Tonnes aus Amerika mir einen Taler hiergelassen hat.«
    »Kein schlechter Gedanke«, der Vormund nickte. »Das klingt glaubwürdig und ist schwer zu widerlegen«, er klopfte Fine auf die Schulter. »So machen wir es.«
    »Ja, Herr. Danke, dass Ihr mich versteht. Und bevor ich gehe, will ich noch kurz sagen: Außer Euch weiß nur noch die Polizei von der wahren Herkunft des Talers. Ich musste es bei unserem Gendarm Gerd zur Protokoll geben, als er mich nach Bärbels Tod befragte.«
    Der Oberlandbauer horchte auf. »Aha? Und was hat Gerd dazu gesagt?«
    »Dass der Lohbauer ein Alibi hat für die Zeit von Bärbels Tod«, erklärte Fine ohne Umschweife. »Da war er in Bonn bei der Landwirtschaftsbehörde.«
    »Ganz recht. Von seiner Reise nach Bonn hat er mir erzählt.« Fines Vormund nickte entschieden und machte eine kleine Pause, als wollte er über etwas nachsinnen. Dann meinte er: »Nun gut, Kind. Dann wissen also nur die Polizei und ich darüber Bescheid. Natürlich auch der Lohbauer selbst. Aber er wird schweigen, da bin ich mir sicher. Und die Gendarmerie ist ohnehin gezwungen, Stillschweigen zu bewahren. Falls die Rede also darauf kommen sollte, werde ich sagen, dass dein Onkel dir den Taler für das Kleid gespendet hat. Der Lohbauer ist ein guter, alter Freund. Ich werde nicht zulassen, dass die Schwarze Marjann gegen ihn hetzt.«
    Dankbar verabschiedete Fine sich. Ihr war nun bedeutend leichter ums Herz. Ihr eigener Vormund hatte sie darin bestärkt, eine Notlüge zu gebrauchen.
    Als es dann aber soweit war, Marjann vom Geld für das neue Kleid zu erzählen, schämte Fine sich dennoch. Ganz genau beobachtete sie ihre Quartiersmutter dabei, wie sie die Nachricht vom Taler des Onkels aus Amerika aufnahm.
    Doch alle Sorge erwies sich als grundlos, denn die alte Frau schaute ihre Pflegetochter liebevoll an. »Es freut mich für dich, dass Tonnes dir ein so großzügiges Geschenk gemacht hat. Er konnte das Geld sicher leicht entbehren, schließlich lebt er in Wohlstand. Außerdem hast du auf die Überfahrt nach Amerika verzichtet und verdienst hier dein eigenes Auskommen. Das sollte deinem Onkel doch einen Taler wert sein.«
    Fine fiel der Schwarzen Marjann um den Hals und küsste sie auf beide Wangen. Sie hielt die alte Frau noch lange umarmt, denn so konnte sie verbergen, wie ihr wegen ihrer Lüge die Schamesröte ins Gesicht stieg.
    Schon am nächsten Tag gab Fine das Kleid in Auftrag. Gudrun machte sich sofort daran, Maß zu nehmen. »Die Stoffe holen wir in Blankenheim. Dort ist die Auswahl zwar nicht groß, doch wir finden

Weitere Kostenlose Bücher